Timothy „Tim“ Ferriss ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten der berühmten TED Talk Reihe. Er sorgt vor allem durch seinen offenen Umgang mit seinen Depressionen für Aufruhr, obwohl er beruflich eigentlich im Bereich der Betriebswirtschaft angesiedelt ist. Diese privaten Erfahrungen verbindet er mit seiner beruflichen Tätigkeit und setzt sich daher vor allem mit psychosozialen Fragen des Arbeitsalltages auseinander. Er ist sich sicher: Dass die meisten Menschen sich auf ihre Ziele fokussieren, statt auf ihre Ängste, ist ein grundlegender Fehler. Wir möchten dir hierzu mehr verraten.

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Tim Ferriss, Depressionen und andere Geschichten

Tim Ferriss ist eine der meistgesehenen Persönlichkeiten bei den renommierten TED Talks. Wieso? Weil er eine Lebensgeschichte hat, die auf viele Menschen faszinierend wirkt und mit der sich einige identifizieren können – entweder, weil sie selbst von Depressionen betroffen sind, oder, weil sie in ihrem sozialen Umfeld mit dieser Erkrankung konfrontiert werden und sie zu verstehen versuchen. So oder so machte Tim Ferriss zu Beginn seiner TED-Karriere durch seine schonungslose Offenheit zum Thema Depressionen, Suizid und Manie Schlagzeilen.

Timothy Ferriss wurde am 20. Juli 1977 in New York geboren und ist mittlerweile Bestseller-Autor sowie Unternehmer. Er führt einen eigenen Podcast und konnte viel Geld als „Early-Startup-Investor“ generieren. Thematisch bewegt er sich vor allem in den Bereichen Psychologie, Philosophie und Betriebswirtschaft. Seine Bücher „Der 4-Stunden-Körper“ sowie „Die 4-Stunden-Woche“ stehen auf der New-York-Times-Bestsellerliste. Er besitzt einen Abschluss der Princeton University.

Offen gesteht er, in seinen jungen Erwachsenenjahren einen Suizidversuch hinter sich zu haben und das relativ spontan, nachdem er noch eine Woche zuvor im Glück schwelgte. Er berichtet von den Mechanismen, die bei einer solchen Erkrankung im Gehirn losgetreten werden, und wie er sich gegen die Manie wehren konnte – oder sie zumindest einigermaßen in den Griff bekommen hat. Schlussendlich beschäftig sich Tim Ferriss aber längst nicht (mehr) nur mit dem Thema Depressionen.

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Er verwendet seine individuellen und prägenden Lebenserfahrungen stattdessen, um sie mit seinen Kenntnissen in der Betriebswirtschaftslehre in Einklang zu bringen und dadurch ein „besseres“ Arbeitsleben zu ermöglichen.

Wie Ängste das Leben vieler Menschen prägen

In seinem neuesten TED Talk beschäftigt er sich mit einem artverwandten Thema: Ängste. Jeder Mensch besitzt Ängste, unabhängig davon, ob er unter Depressionen leidet oder nicht. Es kann sich um Versagensängste, Höhenangst oder soziale Phobien handeln. Du hältst vielleicht nicht gerne Präsentationen vor großem Publikum, würdest niemals mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug springen oder hast panische Angst vor Spinnen. Depressionen hin oder her: Einen angstfreien Menschen gibt es nicht!

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Ängste wirken paralysierend. Sie halten dich davon ab, im Leben Wege zu verfolgen, welche für dich die richtigen wären. Sie lähmen dich bei wichtigen Entscheidungen und lassen dich an dich selbst zweifeln. Sie sorgen für Reue, weil sie dir das Ergreifen einzigartiger Chancen im Leben verwehren. Zusammenfassend machen Ängste dein Leben schlichtweg schwerer, als es eigentlich sein sollte. Wie schön wäre es also, wenn du diese einfach vergessen oder zumindest beiseiteschieben könntest?!

Ängste sind ein fest verankerter Urinstinkt

Was in der Theorie also wünschenswert wäre, ist in der Praxis leider nicht möglich. Ängste sind fest in jedem Menschen verwurzelt. Dazu gehören Urängste wie jene vor dem Alleinsein oder dem Tod. Hinzu kommen zahlreiche weitere Ängste, die im menschlichen Überlebensinstinkt begründet sind. Die Angst vor Spinnen beispielsweise, unter welcher viele Menschen leiden – längst nicht nur Frauen – ist alles andere als unbegründet. Es gibt schließlich zahlreiche giftige bis hin zu tödlichen Spinnen auf der Welt. Natürlich existieren auch Ängste, die als Außenstehender übertrieben erscheinen. Doch jeder Mensch fürchtet sich eben aus verschiedensten Gründen vor unterschiedlichen Dingen. Bei einigen Menschen sind diese Ängste einfach mehr ausgeprägt und bei anderen weniger.

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Alles in allem leben wir in Deutschland aber in einer Kultur der Angst, welche zum Teil noch aus Kriegszeiten resultiert. Wir streben nach finanzieller Sicherheit, Frieden und wirtschaftlicher Stabilität – um nur einige Beispiele zu nennen. Schlecht ist diese Einstellung nicht unbedingt, schließlich scheint sie zumindest bis jetzt mit Erfolg gekrönt zu sein. Dennoch werden die Ängste hierzulande – und auch in vielen anderen westlichen Ländern – immer gravierender. Soziale Phobien oder Panikattacken sind immer häufiger diagnostizierte Störungen. Die Gründe dafür sind vielfältig, liegen aber auch im komplexen, stressigen und von der Angst vor dem Jobverlust geprägten Arbeitsleben. Die „German Angst“ ist real.

Die „German Angst“ muss adressiert werden

In der englischen Sprache hat sich bereits der Begriff der „German Angst“ etabliert. Er beschreibt dieses für die deutsche Gesellschaft typische, diffuse und eigentlich unbegründete Gefühl der Angst. Betroffen sind Arbeitnehmer mit ihrer ständigen Angst vor dem Jobverlust ebenso wie die zögerliche Politik oder die Furcht vor Innovationen bei vielen deutschen Traditionsunternehmen. Irgendwie scheint uns hierzulande fast alles Angst zu machen. Selbstständige gründen hierzulande kein Unternehmen, sondern eine „Existenz“. Dementsprechend viel steht auf dem Spiel. Merkst du, wie die deutsche Sprache die „German Angst“ noch befeuert?

Irgendwie scheinen sich die englischen Muttersprachler mit diesem Begriff schon beinahe über die deutsche Zögerlichkeit lustig zu machen. Hierzulande ist das aber nur wenigen Personen bewusst. Wir scheinen gar nicht zu merken, dass unser Leben sowohl privat als auch beruflich in erster Linie von Angst geleitet ist. In vielen anderen westlichen Ländern wie den USA ist das zwar weniger extrem, grundlegend aber auch nicht anders. Es ist an der Zeit, die eigenen Ängste nicht länger zu verdrängen, sondern zu adressieren, so Tim Ferriss. Wir Deutschen müssen uns also der „German Angst“ stellen. Aber wie?

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Jeder Mensch leidet unter Depressionen – irgendwann und irgendwie

Durchschnittlich sechs bis zehn depressive Episoden durchläuft ein Mensch in seinem Leben. Es muss sich dabei nicht um eine handfeste Erkrankung handeln, doch um Phasen, die einer solchen zum Verwechseln ähneln, durch verschiedene Ereignisse hervorgerufen werden können und zum Glück in der Regel nach einigen Wochen oder Monaten wieder von selbst verschwinden. Nicht so bei Tim Ferriss: Aufgrund seine bipolaren Störung durchlitt er im Laufe seines Lebens bereits über 50 depressive Episoden – und es werden noch mindestens ebenso viele weitere kommen. Eine Heilung ist für ihn und andere Betroffene nicht in Sicht.

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Dennoch gibt es Wege, diese Paralyse, welche Depressionen und damit einhergehende Ängste bei einem Menschen auslösen, in den Griff zu bekommen. Tim Ferriss möchte seinen Weg mit der Welt teilen, um dadurch ein wenig Angst aus der Welt zu verbannen. Egal, ob du ebenfalls unter einer bipolaren Störung leidest, eine depressive Phase durchläufst oder schlichtweg die „normalen“ Ängste hast, die dich im beruflichen Alltag behindern: Seine Strategien können allen Menschen helfen. Und folgende aus seinem aktuellen TED Talk ist sogar besonders interessant…

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Gute private sind auch gute berufliche Entscheidungen

Im Zuge seiner Lebensgeschichte sowie seines Bildungsweges kam Tim Ferriss zu einer wichtigen Erkenntnis: Er hatte eine Strategie entwickelt, um sich selbst bestmöglich vor seinen Ängsten, der Depression sowie der damit einhergehenden Paralyse, sprich „geistigen Lähmung“, zu befreien. Er hatte also gelernt, für sich selbst die besten Entscheidungen zu treffen. In diesem Zuge hat er eine interessante Beobachtung gemacht, und zwar, dass gute private Entscheidungen stets auch gute berufliche Entscheidungen zu sein scheinen. Er jedenfalls wendet seine Strategie für alle Entscheidungen in sämtlichen Lebensbereichen an – und sein Erfolg spricht für sich. Wie also sieht sie aus, diese Strategie?

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Sein Geheimnis liegt in der Gelassenheit, dem „Stoizismus“. Laut Tim Ferriss musst du lernen, zu unterscheiden, was du im Leben kontrollieren kannst und was nicht. Dadurch reduzierst du deine emotionale Instabilität bei Niederlagen, Rückschlägen oder Hindernissen im Leben, die außerhalb deines Kontrollbereichs liegen. Du trainierst also indirekt deine Resilienz. Wenn du dich nämlich durch Gegebenheiten außerhalb deines Verantwortungsbereiches aus der Bahn werfen lässt, nährst du deine Ängste und begibst dich dadurch in eine Abwärtsspirale aus Angst, Selbstzweifeln und noch mehr Angst. Du weißt bestimmt aus eigener Erfahrung, dass Angst im Leben kein guter Berater ist. Sie führt zu Fehlern, Missverständnissen oder schlechten Entscheidungen.

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Tim Ferriss kennt viele Wege, um zu mehr Gelassenheit zu kommen. In seinem TED Talk mit dem Titel „Why you should define your fears instead of your goals” möchte er sich aber einer speziellen Strategie widmen: Du musst dich deinen Ängsten stellen, um diese loswerden zu können.

Die meisten deiner Ängste sind absolut unbegründet

Kennst du das Sprichwort „Das Schlimmste im Leben eines Menschen sind nicht die Schicksalsschläge, sondern die Angst vor diesen“? Tatsächlich sind mindestens 99 Prozent deiner Ängste völlig unbegründet. Schlussendlich wirst du niemals deinen Job verlieren, von deinem Partner verlassen oder an Krebs erkranken – und wenn doch, so überstehst du diese Situation im Nachhinein betrachtet oft besser als erwartet. Durch deine Ängste machst du dich also nur selbst verrückt. Du stehst dir bei deinen Wünschen und Zielen im Weg. Du triffst schlechte Entscheidungen. Tim Ferriss zitiert wie folgt:

We suffer more often in imagination than in reality.

(Seneca)

Er stieß auf die Methode namens „Praemeditatio Malorum“. Was bedeutet das? Es handelt sich um die Visualisierung deiner Ängste – detailliert, realistisch sowie im absoluten Worst-Case-Szenario. Tim Ferris ermutigt dich also basierend auf der Lehre des Stoizismus dazu, deine schlimmsten Ängste in Gedanken auszuleben. Drehe deinen eigenen Hollywood-Film. Lasse die Welt untergehen. Stelle dir vor, du bist in einem Raum voller Spinnen. Oder du würdest deinen Job verlieren. Oder dein Ehepartner reicht die Scheidung ein. Finde heraus, welche deine größten Ängste sind und stelle dich diesen in Gedanken. Du wirst merken: Die meisten Szenarien sind nicht nur absolut unrealistisch, sondern auch überhaupt nicht so schlimm wie erwartet, wenn sie tatsächlich eintreten sollten.

Übe dich in „Fear-setting“ statt „Goal-setting“

Noch effektiver ist diese Übung, wenn du deine Gedanken niederschreibst. Du hast dir gewiss schon ein- oder mehrmals im Leben Ziele aufgeschrieben – zum Beispiel in Form einer To-Do-Liste für den kommenden Tag oder als „Zehn-Jahres-Plan“. Viele Menschen verfolgen ein solches „Goal-setting“ und daran ist absolut nichts auszusetzen. Doch ist laut Tim Ferriss das „Fear-setting“ deutlich effektiver. Nehme dir also ebenfalls ein Papier sowie einen Stift – oder neumodischer den Laptop mit geöffnetem Schreibprogramm – und beginne, deine Ängste sowie die bereits geschilderten Worst-Case-Szenarien aufzuschreiben. Lege hierfür drei Spalten an:

  1. Define: Definiere das Problem. Schreibe also zum Beispiel auf: „Was, wenn ich meinen Job verliere?“. Gehe anschließend ins Detail, was dir an diesem Szenario am meisten Angst macht. Liste auf: „Was, wenn ich nicht mehr genug Geld zum Überleben habe?“ oder „Was, wenn ich keinen neuen Job finde?“. Schreibe also erst einmal alle Ängste auf, die dir in den Sinn kommen oder im Alltag begegnen – und beschreibe diese im Detail. Du kannst diese Liste beliebig erweitern.
  2. Prevent: Anschließend entwickelst du in der zweiten Spalte Strategien, um das Eintreten dieser Angst zu verhindern. Kannst du überhaupt etwas tun, um dieses Szenario zu verhindern, und wenn ja, was? Wenn du Angst vor dem Jobverlust und einer damit einhergehenden Armut hast, baust du dir zum Beispiel mittels Nebentätigkeit ein zweites finanzielles Standbein auf. Entwickel also allerhand Strategien, um das Eintreten deiner schlimmsten Ängste zu verhindern.
  3. Repair: Leider wird das nicht immer möglich sein. Das Schicksal geht manchmal seinen eigenen Weg und plötzlich reicht trotz zweitem Standbein das Geld nicht mehr zum Überleben, weil du unerwartet ein zweites Kind bekommen hast und dementsprechend deine Lebenshaltungskosten gestiegen sind. Was nun? Die dritte Spalte bietet dir Platz für mögliche Szenarien, wenn die gefürchtete Situation trotz deiner „Prevent“-Strategien eingetreten ist. Überlege, wen du um Hilfe bitten könntest, wer dir einen Kredit einräumen würde oder wie du deine Lebenshaltungskosten senken könntest. Entwickle also einen Plan B für jedes deiner Worst-Case-Szenarien.

Lege anschließend eine zweite Seite an und überlege, welche Nachteile du in einigen Wochen, Monaten oder Jahren hättest, wenn du deine Vorhaben aufgrund deiner Angst nicht umsetzen würdest – wenn du also nicht nach der Gehaltserhöhung fragst oder nicht in den Urlaub fliegst. Gehe auch hierbei ins Detail und entwerfe die Situation so realitätsnah wie möglich. Schreibe also die „Kosten“ deiner Inaktivität auf. So überwindest du mit höherer Wahrscheinlichkeit deine Paralyse, triffst bessere beziehungsweise „mutigere“ Entscheidungen und lässt dich dabei nicht mehr von Angst leiten. Du merkst, dass die meisten deiner Worst-Case-Szenarien niemals eintreten werden, dass du diese präventiv verhindern kannst und für den Fall der Fälle einen Plan B hast. Abschließend zitiert Tim Ferriss:

Easy choices, hard life. Hard choices, easy life.

(Jerzy Gregorek)

Was denkst du von dieser Strategie? Wie wichtig ist es deiner Meinung nach, die eigenen Ängste zu überwinden, um bessere Entscheidungen zu treffen? Und wie gelingt dir das? Vielen Dank im Voraus für dein Kommentare und Diskussionen zum Thema?

Bildnachweis: Foto von Sydney Sims auf Unsplash

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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