Heutzutage muss Arbeit nicht mehr nur Geld bringen, der Ruf nach „Spaß“ oder „Sinn“ in der Tätigkeit wird immer lauter. Während es früher für viele Arbeitnehmer noch in Ordnung war, völlig stupide der immer gleichen Arbeit nachzugehen, zum Beispiel an einem Fließband, solange am Ende des Monats die Bezahlung stimmte, wachsen ihre Ansprüche an den Arbeitsplatz mittlerweile. Und die Unternehmen antworten. Ihre Lösung heißt: Job Rotation.

Job Rotation – was ist das eigentlich?

Die Job Rotation ist, wie der Name bereits vermuten lässt, eine Art der Arbeitsorganisation, bei welcher verschiedene Mitarbeiter in einem festgelegten Rotationsverfahren ihre Arbeitsplätze wechseln. Laut Gabler Wirtschaftslexikon handelt es sich um einen systematischen Arbeitsplatzwechsel, welcher gleich fünf verschiedenen Zielen dient:

  1. Der Vertiefung sowie Entfaltung einzelner Fachkenntnisse und Erfahrungen der Mitarbeiter in unterschiedlichen Bereichen.
  2. Der Förderung des Nachwuchses für die Führungsebene mithilfe einer besseren internen Weiterbildung im jeweiligen Betrieb.
  3. Der Qualifizierung der Mitarbeiter für verschiedene Arbeitsplätze und Tätigkeitsbereiche.
  4. Der Förderung einer höheren Flexibilität bei den Mitarbeitern sowie der Vermeidung von Monotonie bei der Arbeit.
  5. Einer Humanisierung der Arbeit durch die Vermeidung einer einseitigen körperlichen oder geistigen Belastung durch die immer gleiche Tätigkeit über einen langen Zeitraum hinweg.

Vor allem letzterer Grund ist häufig ausschlaggebend für die Einführung von Job Rotation in einem Unternehmen. Früher wurde das Modell vor allem bei der Fließbandarbeit eingesetzt, mittlerweile findet es aber auch vermehrt in anderen Abteilungen Einsatz.

Job Rotation dient in erster Linie der Prävention

Die Job Rotation soll in erster Linie als Instrument zur Prävention dienen. Im Fokus stehen dabei körperliche Erkrankungen, die sich bei Mitarbeitern einstellen können, welche über viele Jahre hinweg eine Tätigkeit mit einseitiger körperlicher Belastung ausführen. Nehmen wir an, Mitarbeiter A arbeitet sitzend am Fließband A und befestigt durch eine drehende Bewegung mit der rechten Hand Schrauben an einem Produkt. Durch die fehlende Abwechslung wird er voraussichtlich früher oder später Probleme mit der rechten Hand, dem Arm, der Schulter oder auch dem Rücken haben. Mitarbeiter B hingegen, übernimmt die Verpackung des fertigen Produktes am Fließband B, arbeitet beidhändig, aber im Stehen. Dadurch wiederum könnten sich irgendwann Beschwerden an Füßen, Knien oder Hüfte ergeben. Wechseln sich Mitarbeiter A und B regelmäßig ab, wird ihre Gesundheit geschont und der Körper kann sich von der einseitigen Belastung erholen.

Doch die körperliche Gesundheitsprävention ist nicht der einzige Vorteil der Job Rotation: Auch psychische Belastungen können durch das Arbeitsmodell deutlich gemindert werden. Routine ist zwar wichtig für uns Menschen und hilft bei der Steigerung der Produktivität sowie der Vermeidung von Fehlern, doch wenn die Routine zur Monotonie wird, beginnen die Mitarbeiter darunter zu leiden. Auch Langeweile kann nämlich Stress verursachen und dieser kann wiederum ähnliche körperliche Symptome wie ein Burnout-Syndrom hervorrufen. Monotonie kann also zum Boreout führen. Es ist daher wichtig, die Mitarbeiter in regelmäßigen Abständen zu fördern, vor neue Aufgaben zu stellen und ihnen Erfolgserlebnisse zu ermöglichen – entweder durch eine Beförderung, eine interne Versetzung oder eben die Job Rotation.

Weitere Vorteile der Job Rotation

Die Gesundheitsförderung ist allerdings nicht der einzige große Vorteil, welchen der systematische Arbeitsplatzwechsel mit sich bringt. Die Mitarbeiter sind in mehr verschiedenen Bereichen eingearbeitet und können dadurch flexibler eingesetzt werden. Fällt also eine Arbeitskraft kurzfristig aus, können die Kollegen oder Kolleginnen schnell einspringen und müssen nicht mehr extra eingelernt werden. Dies fördert zugleich den Zusammenhalt im Team. Für eine erfolgreiche Job Rotation bedarf es einer guten Kommunikation zwischen den Mitarbeitern. Dadurch wird das „Wir-Gefühl“ gestärkt, alle Mitarbeiter fühlen sich für jeden Bereich verantwortlich und ziehen gemeinschaftlich an einem Strang. Dies verhindert übermäßiges Konkurrenzdenken und fördert stattdessen die Weitsicht der einzelnen Arbeitnehmer sowie deren Verständnis für das Unternehmen als ganzheitliche Organisation. Die Job Rotation bringt zudem folgende positive Effekte für die Arbeitnehmer und -geber mit sich:

  • anhaltende Lernbereitschaft bei der Belegschaft
  • Verhinderung der „Betriebsblindheit“ im eigenen Job
  • Förderung verschiedener Kompetenzen und Fähigkeiten
  • Vermeidung von Personallücken
  • Lockerung der Hierarchie
  • sinnvolle Tätigkeiten für die Mitarbeiter, selbst bei geringer Arbeitsauslastung
  • breiteres Erfahrungsspektrum
  • umfangreicherer Lebenslauf, sprich bessere Vermittelbarkeit bei Jobverlust
  • Förderung der Weitsicht und Humanität bei Führungskräften, wenn auch sie hin und wieder in die Montage müssen
  • Weitergabe von Know-How zwischen den Mitarbeitern, dadurch wird das Unternehmen weniger abhängig von einer speziellen Fachkraft
  • höhere Motivation durch die stetige Förderung der Mitarbeiter
  • neue Tätigkeiten erfordern mehr Konzentration, wodurch die Produktivität steigt
  • erhöhte Kreativität durch den Input mehrerer Mitarbeiter

Kennen Sie das nicht vielleicht selbst: Sie sind so in der Routine gefangen, dass Ihnen gar nicht mehr auffällt, an welcher Stelle Sie effizienter arbeiten oder Tätigkeiten anders gestalten könnten? Neue Mitarbeiter bringen immer wieder neue Impulse, Ideen und auch Verbesserungsvorschläge mit. Die Job Rotation fördert also zuletzt auch den kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Unternehmen.

Die Kehrseite der Medaille: Nachteile der Job Rotation

Wie alles im Leben, hat aber natürlich auch die Job Rotation nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile. Einerseits sehnen sich Menschen nach Routine. Monotonie ist ebenso schädlich für die psychische und physische Gesundheit wie Überforderung. Die Arbeitsplatzwechsel dürfen daher nicht zu häufig stattfinden, ansonsten wird sich auf lange Sicht die Mitarbeiterfluktuation erhöhen.

Die richtige zeitliche Organisation sowie die gezielte Auswahl der Tätigkeiten, welche die Arbeitnehmer mit der Job Rotation durchlaufen, sind daher das A und O, damit das Modell langfristig funktionieren und seine Vorteile voll entfalten kann.

Durch die mangelnde Routine können zudem Prozesse verlangsamt werden. Gerade während der Einarbeitungs- beziehungsweise der Umstellungsphase sinken nämlich die Effizienz und Produktivität der Mitarbeiter kurzfristig. Durch die Job Rotation darf im Unternehmen also nicht zu viel Unruhe entstehen. Zudem ist die Job Rotation natürlich nur zwischen Arbeitnehmern mit der ausreichenden Qualifikation möglich. Häufig ist sie als Modell deshalb nur auf niedrigeren Hierarchieebenen oder bei weniger anspruchsvollen Aufgaben sinnvoll. Das bedeutet: Ein studierter Fachinformatiker kann bei der Job Rotation nicht plötzlich durch den Personaler ersetzt werden.

Job Rotation hat viele Gesichter

Die Vor- und Nachteile des Arbeitsmodells hängen also stark von der gelungenen Organisation ab. Die Job Rotation bezeichnet als Begriff nämlich lediglich den systematischen Arbeitsplatzwechsel. Die genaue Organisation jedoch, kann und muss individuell auf das Unternehmen abgestimmt werden. So unterscheiden Experten beispielsweise zwischen dem Job Enlargement (gleichwertige Tätigkeiten) und dem Job Enrichment (unterschiedliche Anforderungsniveaus). Die Job Rotation kann außerdem innerhalb eines Teams stattfinden, in einer Abteilung oder im gesamten Betrieb. Auch speziell aufeinander abgestimmte Arbeitsgruppen sind denkbar sowie die Job Rotation zwischen Praktikanten oder Trainees.

Nur 14 Prozent der deutschen Unternehmen bieten Job Rotation an

Vielleicht ist es eben dieser hohe Organisationsaufwand, der viele Unternehmen von der Job Rotation abschreckt. Nur 14 Prozent der deutschen Betriebe bieten dieses Modell nämlich derzeit für einige ihrer Mitarbeiter an, vor allem für Praktikanten, Trainees und Berufseinsteiger. Doch auch bei Führungskräfteprogrammen ist die Job Rotation manchmal zu finden. Der Fokus liegt dann vor allem auf dem Kennenlernen verschiedener Abteilungen sowie der Förderung von Soft Skills, zum Beispiel Kommunikationsfähigkeit, Motivation und Empathie. Doch auch immer mehr mittelständische Unternehmen entdecken mittlerweile die Vorteile der Job Rotation und nutzen diese, um einerseits Mitarbeiter trotz fehlender Aufstiegsmöglichkeiten an ihr Unternehmen zu binden. Andererseits wird aber auch der Wissensaustausch zwischen den Angestellten gezielt gefördert. Je kleiner das Unternehmen, desto weniger Experten kann es nämlich einstellen. Nicht selten ist der Arbeitgeber dann vom Know-How eines einzelnen Mitarbeiters geradezu abhängig. Fällt dieser aus oder verlässt er das Unternehmen, können sich daraus zahlreiche Probleme ergeben.

Das Fazit ist daher eindeutig: Mit der richtigen Organisation bringt die Job Rotation für alle Beteiligten zahlreiche Vorteile mit sich. Fortschrittliche Unternehmen sollten sie deshalb schon längst auf dem Radar haben! Oder? Welche Erfahrungen haben Sie bereits mit der Job Rotation gemacht?

Bildnachweis: BoBaa22/Shutterstock.com