Hand aufs Herz: Lügen, Flunkern und sich zu verstellen gehören auch im Berufsleben dazu. In einer YouGov-Umfrage für Glassdoor gaben 22 Prozent der deutschen Arbeitnehmer an, sich anders zu geben, als sie eigentlich sind. Ganze 45 Prozent – fast die Hälfte der Berufstätigen – sind gelegentlich unehrlich im Job und greifen hin und wieder zu einer Notlüge.

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Größere Lügen bleiben dabei aber glücklicherweise eine Rarität. Lediglich 8 Prozent der Umfrageteilnehmer trauen sich, im großen Stil zu lügen, um sich beispielsweise einen Vorteil im Job zu verschaffen. Große Lügen unterscheiden sich dabei maßgeblich von kleineren Flunkereien, weil kleine Notlügen in erster Linie dazu dienen, zum Beispiel eine kleine Peinlichkeit zu verschleiern.

Erstaunlich, aber auch traurig: 32 Prozent halten sich generell damit zurück, im Job ihre Gefühle zu zeigen. Warum aber müssen Berufstätige sich im Arbeitsleben verstellen – und warum sind Lügen ein so großes Thema?

Warum flunkern und lügen wir in unserem Berufsalltag?

Es überrascht nicht, dass ein Teil der Befragten lügt, um einer Führungskraft nicht widersprechen zu müssen: 21 Prozent neigen dazu, nicht authentisch zu bleiben, wenn sie von dem, was der Boss sagt, abweichen müssten. In der Befürchtung, dass Vorgesetzte eine andere als ihre eigene Meinung nicht hinnehmen, greifen Angestellte deshalb gerne mal zur Lüge.

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Noch häufiger flunkern Beschäftigte aber, wenn sie verstecken wollen, dass sie einen Misserfolg hatten. 27 Prozent haben deshalb schon die Tatsachen verdreht. Und auch vor Strafen haben wir manchmal Angst: 12 Prozent der Umfrageteilnehmer sahen sich dazu gezwungen, zu flunkern, wenn sie einer harten Konsequenz ausweichen wollten.

Die meisten Beschäftigten lehnen Berufslügen ab

Obwohl viele Menschen im Job hin und wieder „notlügen“, sind sie sich dennoch einig, dass Lügen eigentlich nicht zum Berufsleben dazugehören sollten. Während 80 Prozent der Männer gegen Lügen im Job sind, sind es bei den Frauen 90 Prozent. Das Ergebnis zeigt, dass wir die Lüge im Grunde ablehnen, sie manchmal aber dennoch nicht vermeiden – aus strategischen Gründen, aus Angst vor Konsequenzen oder um von etwas abzulenken.

Psychologieprofessor: Lügen als „soziale Taktik“ und die fünf häufigsten Gründe

Psychologe und Wissenschaftler Dr. Robert Feldman (University of Massachussetts Amherst) hat sich mit den Gründen des Lügens beschäftigt und ist nach eingehenden Untersuchungen zum Schluss gekommen: Es ist vor allem eine soziale Strategie oder Taktik. Am Tag lüge der Mensch bis zu zwei Mal, oft sogar häufiger. Nicht im großen Stil, sondern eher klein, um sich das Leben schlicht und ergreifend zu vereinfachen.

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Es seien vor allem folgende Gründe, aus denen Menschen am ehesten lügen, um sich in sozialen Situationen beispielsweise zu retten, andere zu etwas zu bringen oder um für Harmonie untereinander zu sorgen:

1. Sich sympathisch machen wollen

Ob bei Dates, im Job oder in anderen Situationen – jeder will sympathisch wirken, denn die Anerkennung von anderen sowie das Zugehörigkeitsgefühl sind emotionale Grundbedürfnisse. Um diesem Bedürfnis nachzukommen, entscheiden wir uns oft dazu, nicht die ganze Wahrheit über uns zu erzählen und gewisse Sachen einfach unter den Tisch zu kehren.

2. Anderen ein gutes Gefühl geben/schmeicheln

„Super siehst du heute aus!“. Oder: „Wow, hast du abgenommen?“

Zu den häufigsten Gründen für das Lügen gehört laut den Untersuchungen Feldmans auch, dass wir versuchen, anderen zu schmeicheln. Dabei kann Lügen in diesem Fall auch mit „maßlose Übertreibung“ ersetzt werden, weil wir dazu tendieren, jemanden mit Komplimenten zuzuschütten, ohne es wirklich so zu meinen. Auch das ist eine „soziale“ Geste und ein Versuch, Verbindung herzustellen.

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3. Andere manipulieren:

Kollegen, Freunde oder andere Menschen aus unserem Umfeld werden nicht immer das tun, was wir wollen. Also erfinden wir etwas, um unseren Willen doch durchzusetzen. Manipulationen sind deshalb im Berufsleben keine Seltenheit. Sie gehören ebenfalls zu den häufigsten Ursachen für das Lügen.

4. „Versehentlich“ lügen:

Eine etwas skurrile Erklärung, aber eine, die auch zu den häufigsten Motiven fürs Lügen gehört: Wir lügen manchmal ohne Absicht. Das liege vor allem an den subjektiven Empfindungen, die der Mensch spüre.

So sind wir manchmal zu 100 Prozent davon überzeugt, dass das, was sich in unseren Gedanken abspielt und wie etwas passiert ist, der Wahrheit entspricht. Haben wir beispielsweise vergessen, einem Kollegen eine Notiz auf den Tisch zu legen, sind wir manchmal dennoch felsenfest überzeugt, es getan zu haben – weil wir die Situation gestern in Gedanken bereits durchgespielt und abgeschlossen haben.

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5. Eine andere Lüge vertuschen:

Eine Lügenkette, also Lügen, die aufeinander aufbauen, setzen voraus, dass wir immer wieder etwas erfinden müssen, um die Kette aufrechtzuerhalten. Dieses Spiel gehört auch zu den häufigsten Lügengründen. Die Vertuschung einer bestehenden Lüge zwingt uns, solange Unwahrheiten zu erzählen, bis wir auffliegen (es fliegt immer auf) oder selbst zugeben, nicht ehrlich gewesen zu sein.

Arbeitsleben: Null-Fehlertoleranz-Einstellung kann Lügen befeuern

Weil vor allem große Lügen aus moralischen Gründen generell abgelehnt werden, da sie anderen zum Beispiel schaden und das Vertrauensverhältnis zwischen zwei Menschen zerstören können, werden kleinere Notlügen eher toleriert.

Trotzdem kann es ein echtes Problem sein, wenn Berufstätige lügen müssen – weil sie keine andere Wahl sehen. Dies ist vor allem in solchen Arbeitsumgebungen der Fall, die Angestellte in die Ecke drängen. Zum Beispiel, weil dort Fehler nicht geduldet werden. Haben Missgeschicke harte Strafen zur Folge und bedrohen Sanktionen sogar den eigenen Job, entscheiden sich viele Menschen deshalb für den Ausweg „Lüge“.

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Für Arbeitgeber gilt: Strafe ist keine nachhaltige Lösung, wenn etwas nicht nach Plan läuft. Schaffen Unternehmen hingegen eine Arbeitsumgebung und eine Atmosphäre, die auf Sicherheit, Vertrauen und Transparenz beruht und sich Fehlern gegenüber nicht zu empfindlich zeigt, ist das der erste Schritt in Richtung Besserung.

Lese-Tipps:

Mut zur Wahrheit: Warum Ehrlichkeit sich auch im Job lohnt

Die moralische Komponente der Ehrlichkeit im Job muss nicht erläutert werden. Sie ist selbstverständlich: Ehrlichkeit ist bekanntermaßen eine Tugend. Was erläutert werden muss, ist, warum es sich für uns persönlich lohnen kann, ehrlicher zu sein:

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  • Wir erfahren, ob ein Arbeitgeber uns so nimmt, wie wir sind, wenn wir ehrlich sind.
  • Unsere Karriere baut nicht auf Lügen auf – und das gibt Schuldgefühlen keinen Platz.
  • Wir lernen, mehr Verantwortung für unsere Gedanken und unser Handeln und auch für Fehler zu übernehmen.
  • Wir schaffen Vertrauen.
  • Wir werden furchtloser, wenn wir uns trauen, eine andere Meinung zu äußern.
  • Wir können uns authentisch ausleben, wenn wir die Erfahrung machen, so akzeptiert zu werden, wie wir sind.
  • Wir vermeiden Missverständnisse.

Auch wenn es manchmal schmerzt, peinlich ist oder Überwindung kostet, ehrlich zu sein, weil wir Konsequenzen fürchten, können wir schließlich doch besser und beruhigt schlafen, wenn wir ein sauberes Gewissen haben.

Also – nur Mut: Die Wahrheit lohnt sich und es macht uns emotional stärker, Widerstand zu ertragen, der manchmal folgt, wenn wir uns so zeigen, wie wir sind.

Hand aufs Herz: In welchen Situationen habt ihr schon mal im Job geflunkert oder eine Notlüge benutzt, und warum? Denkt ihr, dass es manchmal notwendig ist, im Berufsleben unehrlich zu sein, um schwierige Situationen zu meistern? Wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr wüsstet, dass eure Kollegen oder Vorgesetzten regelmäßig lügen? Würde das euer Vertrauen beeinflussen?

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