Viel Kritik, viel Gehorsam, wenig Lob: So sieht der Arbeitsalltag vieler Arbeitnehmer hierzulande aus – obwohl sie Autonomie wollen und brauchen.

Studie zeigt: Seit der Pandemie arbeiten Beschäftigte eigenverantwortlicher

Seit der Corona-Krise tragen Arbeitnehmer wegen neuer Homeoffice-Regelungen, zunehmender Selbstorganisation und Remote Work mehr Eigenverantwortung. Untersuchungen bestätigen dies: Laut einer Deloitte-Studie haben fast 80 Prozent der Beschäftigten bedeutende Veränderungen in ihrem Job festmachen können. Autonomie spielt hierbei eine wichtige Rolle. Nur 11 Prozent der Befragten hätten keine wesentlichen Veränderungen feststellen können.

Auch in Zukunft wird mehr Autonomie gefragt sein

Gehorsam im Rahmen eines klassischen Top-down-Ansatzes war bisher gebräuchlich und auch heute sind stark hierarchisch ausgerichtete Organisationsstrukturen noch keine Seltenheit. Während Verantwortlichkeiten und Entscheidungsmacht in solchen Fällen vor allem bei Führungskräften liegen, haben Mitarbeiter es mit dem strikten Ausführen von Dienstanweisungen zu tun.

Die Ungleichverteilung der Machtverhältnisse in hierarchisch geprägten Unternehmen steht jedoch auf der Kippe.

Immer mehr Arbeitnehmer wollen nicht nur mehr Autonomie, sondern brauchen sie, weil sie Kernelement der New-Work-Welt ist.

Auch in Zukunft werden deshalb Arbeitgeber ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken, wenn sie sich als Marke etablieren, die auf Eigenverantwortung der Mitarbeiter statt auf Gehorsam setzt.

Autonomes Arbeiten: Welche Herausforderungen müssen Unternehmen sich stellen?

Wer Kontrolle abgibt, um autonomes Arbeiten zu ermöglichen, stellt sich vor allem eine Frage: „Wie soll das plötzlich funktionieren, wenn wir es bisher nur anders kannten?

Vor allem klassisch organisierte Unternehmen mit strengen Führungsstrukturen haben es schwer, diese Herausforderung aus strukturellen, organisatorischen und unternehmerischen Gesichtspunkten zu meistern.

Man könnte sagen: Es besteht ein Interessenkonflikt. Denn betroffene Unternehmen stehen vor der großen Frage, wie die Vereinbarkeit ihrer klassischen Prinzipien mit modernen Ansätzen gelingen kann. Schließlich soll kein Chaos ausbrechen, weil Mitarbeiter möglicherweise willkürlich handeln. Und doch soll ihnen ermöglicht werden, so autonom wie möglich zu arbeiten.

Welche Gründe sprechen für mehr Autonomie auf Mitarbeiterseite?

1. „Du sollst machen, was ich sage!“: Befehle sorgen für Frust und Wechselbereitschaft

Mehrere aktuelle Untersuchungen bestätigen immer wieder die Absicht vieler deutscher Arbeitnehmer: Sie sind heute wechselwilliger als noch vor einigen Jahren. Beschäftigte halten Ausschau nach einem neuen Arbeitgeber, der nicht nur eine faire Bezahlung, Work-Life-Balance und Flexibilität anbietet, sondern auch bereit ist, Mitarbeitern zu vertrauen und sie eigenständiger arbeiten zu lassen.

Und dafür sprechen gleich mehrere Gründe. Vor allem aber die Führungskultur: Die Beziehung zum Chef und auch die Art des Führungsstils können die Wechselbereitschaft von Arbeitnehmern entscheidend beeinflussen. Konservative Führungsmethoden, die auf Gehorsam bauen, sind für Mitarbeiter frustrierend, die sich nach Eigenständigkeit und Vertrauen sehnen. Denn einseitige Kommandos lösen nicht nur Ängste, sondern auch Unsicherheit aus.

Dies führt wiederum dazu, dass immer mehr Arbeitnehmer sich aufgrund von psychischen Erkrankungen krankmelden, die sich durch ihren Job verstärken, wenn der mentale Stress aufgrund des rauen Befehlstons tendenziell zunimmt statt abnimmt.

2. Autonomie stärkt die Selbstsicherheit von Mitarbeitern

Wer ausprobieren darf, Entscheidungen selbstständig trifft und in seiner Eigenverantwortung gestärkt wird, entwickelt bekannterweise eine höhere Selbstsicherheit – und das nicht nur im Berufsleben, sondern bereits im Kindesalter.

Was für Kinder gilt, gilt auch für Erwachsene: Je mehr Vertrauen Mitarbeitern entgegengebracht wird, desto mehr Mut und Sicherheit entwickeln diese.

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3. Eigenverantwortung bedeutet auch mehr Flexibilität

Vor allem junge Arbeitnehmer sind auf der Suche nach flexiblen Arbeitsmöglichkeiten im Job. Die Flexibilisierung der Arbeitswelt bedeutet automatisch, dass Unternehmen und Führungskräfte ein großes Stück ihrer Kontrolle abgeben müssen.

Das muss nichts Schlechtes bedeuten – im Gegenteil. Die Abgabe von Kontrolle fördert die Eigenverantwortung von Mitarbeitern, weil diese die Konsequenzen für ihr Handeln selbst tragen und lernen, dass Flexibilität und autonomes Arbeiten stets mit Verantwortung einhergehen.

Können Unternehmen flexible Arbeitszeitmodelle anbieten, zu denen auch Vertrauensarbeitszeit gehört, sichern sie sich damit einen Attraktivitätsbonus bei vielen junge Nachwuchstalenten: Sie stärken ihre Arbeitgebermarke und fördern die Autonomie von Mitarbeitern und zukünftigen Arbeitskräften.

4. Ein Job, der Autonomie fördert, stärkt die Mitarbeiterbindung

Können Mitarbeiter sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren, basiert die Identifikation vor allem auf eine starke emotionale Verbindung und Sinnhaftigkeit im Job. Beides fehlt, wenn Arbeitnehmer sich in ihrer Autonomie nicht entfalten dürfen. Statt Befehle auszuführen und Gehorsam zu zeigen, brauchen Mitarbeiter deshalb die Chance, positive Momente zu schaffen, indem sie selbstständiger entscheiden dürfen und sich auf emotionaler Ebene mit ihrem Arbeitgeber verbunden fühlen.

Engen Führungskräfte Mitarbeiter durch fehlende Entscheidungsfreiheit ein, bewirken sie das Gegenteil: Sie sorgen dafür, dass Arbeitnehmer sich emotional distanzieren.

Autonomes Arbeiten ermöglichen: So fördern Unternehmen Verantwortung

1. Autonomie stärkend durch intrinsische Motivation

Eine hohe Verantwortlichkeit von Mitarbeitern ist grundlegend für erfolgreiches autonomes Arbeiten. Wer nicht bereit ist, diese zu übernehmen, muss sich von der Idee verabschieden, erfolgreich selbstständig arbeiten zu können.

Damit Mitarbeiter sich motiviert fühlen, gilt deshalb vor allem, an ihren inneren Antrieb (intrinsische Motivation) zu appellieren. Sie sollten sich deshalb gehört, gebraucht und verstanden fühlen, damit sie ihre beste Leistung erbringen können und gerne eine hohe Verantwortung übernehmen. Hilfreich kann es sein, folgende Punkte zu priorisieren:

2. Handlungsautonomie thematisieren

Was bedeutet Autonomie für Unternehmen und ihre Mitarbeiter – und was soll sie nicht sein? Die individuelle Definition von Handlungsautonomie sollte thematisiert werden, bevor versucht wird, Veränderungen umzusetzen.

Ganz simpel ist das nicht: Während einige Unternehmen bereit sind, zunächst kleine Schritte zu gehen und etwas Kontrolle abzugeben, um sich langsam vorzutasten, gehen andere den Weg der radikalen Veränderung. Welcher Weg auch helfen mag, wichtig ist, dem Prozess eine Chance zu geben, Ergebnisse auszuwerten und gegebenenfalls auch mal zurückzurudern, um zu optimieren.

3. Offene Kommunikation mit klaren Verantwortlichkeiten

Autonom zu arbeiten bedeutet nicht, dass Führungskräfte sich komplett zurückhalten. Vielmehr geht es um die Regelung von klaren Verantwortlichkeiten, die offen miteinander kommuniziert werden, um eine Basis für selbstständige, freie Entscheidungen und unabhängiges Arbeiten zu schaffen.

Deshalb steht eine transparente Kommunikation ganz oben auf der Prioritätenliste von Führungskräften, die sich darüber bewusst sind, was ihre Mitarbeiter brauchen, um gerne Verantwortung zu übernehmen.

Transparenz bedeutet zugleich, Arbeitnehmer bei Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen und ihnen den Zugang zu Informationen unkompliziert zu ermöglichen, die sie benötigen, um unabhängig arbeiten zu können. Beidseitiges Vertrauen ist hierfür Voraussetzung.

4. Arbeit an der Führungskultur

Wie bei vielen anderen Transformationsprozessen auch wird es im Rahmen der Autonomieförderung auf das Verhalten der Führungskräfte ankommen: Sie lenken maßgeblich mit – und sie sind Vorbild.

Die Förderung und Sensibilisierung von Führungskräften kann deshalb entscheiden sein, um autonomes Arbeiten zu fördern. Dies gilt nicht nur für neue Führungskräfte, sondern auch für bestehende, die sich heute zwangsläufig mit der New-Work-Kultur auseinandersetzen müssen, um bestehen zu können.

Denn eine Sache steht fest: Führungskräfte von morgen werden ihren Mitarbeitern keine Befehle erteilen und blinden Gehorsam verlangen. Sie werden ihr Team darin bestärken, eigenständige Entscheidungen zu treffen und die Konsequenzen für ihr Handeln zu tragen.

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