Führungskräfte nutzen Schuldzuweisungen, um Mitarbeiter zu tadeln. Dabei fehlt ihnen oft selbst das Wissen darüber, wie Schuld und Verantwortung sich unterscheiden.

Schuldkultur als Unternehmenskultur: „Du bist schuld!“

Ob als Erwachsener oder als Kind: Wir lernen früh, wie negativ das Wort Schuld besetzt ist. Wenn wir etwas vermasseln, wird nicht der Versuch honoriert – sondern stattdessen auf Fehler aufmerksam gemacht.

Schuldzuweisungen können vernichtend sein, besonders dann, wenn sie als Schuldkultur im Unternehmen etabliert sind. Schon beim Aussprechen einer Schuldzuweisung liegt eine bleierne Schwere in der Luft, die uns lähmt. Im beruflichen Kontext spielt sie täglich eine wichtige Rolle: bei Misserfolgen, in Konflikten, bei Fehlern. Vor allem in der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter sind Schuld und Verantwortung Dauerbegleiter.

In der Arbeitswelt, aber auch in unserem „echten“ Leben, könnte man das bewusste, oft subtile Provozieren von Schuldgefühlen als eine Art emotionales Erpressungsinstrument ansehen. Damit soll nicht geleugnet werden, dass Schuldbewusstsein eine Daseinsberechtigung hat: Ein Schuldgewissen ist notwendig, um in einer sozialen Gesellschaft leben zu können. Denn ohne dieses Gewissen wären wir skrupellos, würden anderen schaden, ohne uns schuldig zu fühlen. Wer Schuld im beruflichen Kontext aber missbraucht, vor allem als Führungskraft, weil man sich in einer Machtposition befindet, tut Mitarbeitern und Unternehmen keinen Gefallen.

Führungsfehler: Die Verwechslung von Schuld und Verantwortung

Schuld ist erdrückend, während Verantwortung, wenn wir lernen, sie zu übernehmen, gut tragbar ist. Sie macht uns nicht handlungsunfähig – Schuld aber schon.

Der Unterschied zwischen Schuldzuweisungen und Verantwortung übertragen ist, dass Verantwortung mit solchen Konsequenzen einhergeht, die wir als Arbeitnehmer selbst festlegen (dürfen). Nicht unser Chef entscheidet, wie wir mit Fehlern umgehen. Wenn dieser wirklich Verantwortung überträgt, schenkt dieser uns auch das Vertrauen, dass wir verantwortungsbewusst handeln.

Die Zuweisung von Schuld wird hingegen oft zu Kontrollzwecken instrumentalisiert, um Macht zu demonstrieren – und manchmal auch, um eigene Fehler zu verschleiern: „Entweder machst du die Aufgabe richtig – oder du bist schuldig dafür, dass ich unter deinem Fehler leide und der Kunde abhaut!“

Ein gängiges Problem: Wenn Führungskräfte eine Aufgabe an Mitarbeiter delegieren, verwechseln sie Schuld mit Verantwortung. Läuft etwas schief, sind Mitarbeiter „die Schuldigen“ und müssen – zumindest in Unternehmen mit geringer Fehlertoleranz – mit harten Konsequenzen rechnen, die von Vorgesetzten festgelegt werden.

Die Arbeit mit Schuld ist jedoch kontraproduktiv. Sie ähnelt der Scham, ein ebenfalls soziales Gefühl. Wer vom Chef für einen Fehler beschämt wird, wird gedemütigt. Zudem führen Schuldzuweisung oft dazu, Angst als Antriebsmotor für Entscheidungen zu nehmen – quasi ein Kreativitätskiller: Mitarbeiter treffen eine vielleicht „falsche“ Entscheidung, nur um nicht bestraft zu werden, anstatt sich für kreative, andere Lösungen zu entscheiden, die jedoch risikoreicher wären.

Was bedeutet es, echte Verantwortung zu übertragen?

#1: Freiräume lassen:

Wenn wir eine Aufgabe bekommen und hier etwas gewaltig schiefläuft, leiten wir als Arbeitnehmer sinnvolle Konsequenzen ab; müssen wir beim nächsten Mal etwas anders machen? Wiederholen wir den Schritt? Holen wir uns Hilfe? Führungskräfte sollten bereit sein, ihren Mitarbeitern genau diese Art von Freiräumen zu geben, in denen Angestellte selbstständig und selbstreflektiert Konsequenzen ziehen können.

#2: Kontrolle abgeben

Wenn Führungskräfte glauben, echte Verantwortung abzugeben, tun sie das in Wahrheit nicht unbedingt. Das bedeutet: Sie wollen noch immer die Kontrolle besitzen und führen die Kontrolle auch aus, indem sie über die Konsequenzen des Scheiterns entscheiden. Das Ergebnis: Mitarbeiter fühlen sich unter Druck gesetzt und verspüren Ängste. Sie selbst haben keine Kontrolle, weil der Chef nicht bereit ist, sie abzugeben. Gute Führungskräfte schaffen es, über ihren Schatten zu springen und Kontrolle abzugeben, indem sie auch Verantwortung übertragen, ohne in Schuldgedanken zu versinken.

#3: Arbeit honorieren

Die Übernahme echter Verantwortung sollte von Führungskräften anerkannt und somit gebührend honoriert werden – anstatt die Schuldschiene in den Vordergrund zu stellen, wenn etwas nicht nach Plan läuft. Noch viel zu häufig wird mit „Angstmacherei“ gearbeitet, wodurch auch eine sogenannte Schuldangst entsteht, die Fehler als grauenvoll darstellt: Wir haben Angst, uns schuldig zu machen, indem wir Fehler begehen.

Aber: Fehler sind wichtig. Das ist Fakt, denn ohne sie lernen wir nicht und können uns auch nicht weiterentwickeln.

Lust auf Verantwortung fördern – so kann es gelingen

Eine toxische Schuldkultur in Unternehmen hat oft negative Folgen: Mitarbeiter sträuben sich aus Angst oder wegen negativen Erfahrungen, Verantwortung zu übernehmen. Sie wissen, dass sie bestraft werden, wenn sie Fehler machen. Läuft etwas schief, fördert eine toxische Schuldkultur außerdem auch im Team die bewusste Suche nach „Schuldigen“, anstatt selbst hinter den eigenen Fehlern zu stehen und Verantwortung zu übernehmen. Es kommt zu giftigen Verstrickungen, Schuldzuweisungen und Konflikten. Das Arbeitsklima wird toxisch.

Wie kann es also gelingen, die Lust auf Verantwortung zu fördern und Mitarbeiter dabei zu unterstützen, aus Fehlern zu lernen – anstatt sie zu fürchten?

#1: Führungskräfte müssen Verantwortung vorleben

Ständige Schuldzuweisungen, Kontrolle und Demütigungen von „oben“ können die Motivation und Arbeitszufriedenheit von Mitarbeitern killen. Läuft etwas nicht nach Plan, sollten Führungskräfte deshalb ihre eigene Verantwortung nicht mit jener verwechseln, die sie der Belegschaft übertragen. Jeder sitzt mit im Boot, denn das bedeutet Teamarbeit: Es ist wichtig, Verantwortung vorzuleben und sie korrekt aufzuteilen, damit die Lust auf diese wächst und die Last der Schuld sich verringert – oder zumindest gleichmäßig aufgeteilt wird.

#2: Der richtige Umgang mit Fehlern ist entscheidend

Wenn der Umgang mit Fehlern stimmt, macht es Spaß, arbeiten zu gehen: Wir können darauf vertrauen, dass wir gefördert, unterstützt und anerkannt werden – auch oder gerade, wenn wir Fehler machen. Eine positive Fehlerkultur lässt kreative Lösungen und Denkweisen zu, ohne sie abzustrafen oder im Keim zu ersticken. Soll die Lust auf Verantwortung gefördert werden, ist sie deshalb essenziell für den Erfolg.

Das fördert eine positive Fehlerkultur:

  • konstruktives Feedback, objektiv und professionell
  • gemeinsames Suchen nach Lösungen, anstatt nur Vorgaben zu machen
  • Fehler als Lernmöglichkeiten aufgreifen, nicht als lästig und unerwünscht
  • Erfolge gemeinsam feiern; Misserfolge gemeinsam durchstehen

#3: Transparente Kommunikation kann einer toxischen Schuldkultur vorbeugen

„Das haben sie so aber nicht kommuniziert!“

Damit sich eine aufkommende Schuldkultur nicht verselbstständigt, ist offene Kommunikation wichtig. Wir reden viel im Job, wenn der Tag lang ist. Aber oft auch um den heißen Brei. Viel wirkungsvoller ist es, transparent und offen schwierige Dinge und Herausforderungen anzusprechen. Vor allem als Führungskraft ist es unsere Aufgabe, Teams zusammenzubringen und sie auch zum Reden zu bringen.

Der transparente Austausch von Informationen, Kritik und Ideen ist wichtig, vor allem aber ist es bedeutsam, Erwartungen zu kommunizieren. Wer es als Vorgesetzter eines Teams nicht schafft, die eigene Erwartungen mitzuteilen, und zwar gut verständlich, klar und nachvollziehbar, fördert Missverständnisse und am Ende Schuldzuweisungen.

Fazit

Schuld ruft negative Emotionen hervor. Wir assoziieren Strafe und das Nicht-Genügen mit Schuld. Ziel moderner Führungskräfte sollte deshalb sein, eine Schuldkultur durch eine positive Fehlerkultur zu ersetzen, um die Lust auf Verantwortung zu steigern. Und vor allem, um keine Angst davor zu haben, echte Verantwortung zu übernehmen. Anfangen müssen wir dafür bei uns selbst.

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