Jeder vierte Deutsche wird vor Erreichen des Renteneintrittsalters berufsunfähig. Trotzdem besitzen nur wenige Menschen in Deutschland eine Berufsunfähigkeitsversicherung und setzen damit ihre gesamte Existenz aufs Spiel.

Gründe für eine Berufsunfähigkeitsversicherung

Im Alter von 20 Jahren befindest du dich mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht einmal im Beruf, sondern beschäftigst dich gerade erst mit den Anfängen des Studiums oder erkundest die Welt als Backpacker. Gerade jetzt wäre der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung aber sinnvoll. Einerseits solltest du zugreifen bevor du sogenannte „Vorerkrankungen“ hast und andererseits sind die Policen noch vergleichsweise günstig.

Auch als Berufseinsteiger nach einer absolvierten Ausbildung dürfte dein Einkommen noch recht überschaubar sein. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist kein Schnäppchen und wird im Laufe des Lebens in der Regel immer teurer. Dies ist ein Hauptgrund dafür, weshalb lediglich rund 20 Prozent der Deutschen überhaupt gegen die Berufsunfähigkeit versichert sind.

Viele Menschen verlassen sich zudem auf eine andere Art der Vorsorge, zum Beispiel eine Privatrente, Bausparverträge oder Immobilien. Das Problem an der Sache ist: Im Fall einer Berufsunfähigkeit muss das Geld sofort verfügbar sein. Solltest du zudem gleich für zehn, 15 oder 20 Jahre komplett ausfallen, sind auch Privatrente, Bausparvertrag & Co meist schnell aufgebraucht. Und dann?

Gibt es eine staatliche Absicherung gegen Berufsunfähigkeit?

Ein Großteil der Deutschen geht davon aus, dass im Fall der Berufsunfähigkeit der Staat einspringt. An dieser Stelle müssen wir dich leider enttäuschen! Zwar bist du als Angestellter automatisch im Fall einer Erwerbsunfähigkeit pflichtversichert, eine „gesetzliche“ Berufsunfähigkeitsversicherung existiert allerdings nicht!

Natürlich hast du im Fall der Fälle die Möglichkeit, deinen Lebensunterhalt mit Unterstützung deiner Angehörigen oder durch Hartz IV zu bestreiten. Eventuell kannst du auch mit ein wenig Erwerbsminderungsrente der Deutschen Rentenversicherung rechnen. Doch so oder so bedeutet die Berufsunfähigkeit für dich enorme finanzielle Einbußen und einen rasanten sozialen Abstieg.
Eventuell musst du fortan sogar von Sozialhilfe, Wohngeld & Co leben und sich mit den Behörden um jeden zusätzlichen Cent streiten.

Unterschied: Erwerbsunfähigkeitsrente vs. Berufsunfähigkeitsversicherung

Das Stichwort ist nun bereits mehrfach gefallen: Als Arbeitnehmer besitzt du eine gesetzliche Pflichtversicherung im Bereich der Erwerbsunfähigkeit – nicht aber eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Natürlich gibt es je nach Versicherer verschiedene Policen, prinzipiell liegt der Hauptunterschied zwischen einer Berufsunfähigkeits- und einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung aber in der sogenannten „abstrakten Verweisung“:

Definition „Abstrakte Verweisung“: Bei einer abstrakten Verweisung wird im Fall der Berufsunfähigkeit geprüft, inwiefern der Betroffene eine andere Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt ausüben kann. Ob es in diesem Beruf überhaupt freie Stellen gibt, ist hierbei irrelevant. Ebenso, ob der Arbeitnehmer eventuell stark unterfordert wäre. Kannst du aufgrund eines kaputten Knies zum Beispiel nicht mehr stehen und daher als Arzt nicht mehr operieren, darf der Versicherer dich als Kassierer/in an die Supermarktkasse „verweisen“.

Du erhältst die Leistungen bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung also, sobald du deinen konkret versicherten Beruf nicht mehr ausüben kannst, unabhängig davon, ob du noch anderweitig arbeiten könntest.

Eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung greift hingegen erst, wenn du weder deinem Beruf noch irgendeiner anderen „zumutbaren“ Arbeit nachgehen kannst. Dies gilt sowohl für eine private als auch die gesetzliche Erwerbsunfähigkeitsversicherung.

Die gesetzliche Erwerbsminderungsrente bringt den ein oder anderen Haken mit sich:

  • Antragsteller dürfen die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht haben.
  • Es gilt eine allgemeine Wartezeit von fünf Jahren. Betroffene müssen also vor ihrer Erwerbsunfähigkeit bereits mindestens fünf Jahre versichert gewesen sein.
  • In diesen fünf Jahren müssen sie zudem mindestens drei Jahre lang Pflichtbeiträge im Rahmen der versicherungsrechtlichen Voraussetzung gezahlt haben.
  • Um festzustellen, ob ein Antragsteller voll oder teilweise erwerbsunfähig ist, kann der Versicherungsträger Einsicht in ärztliche Dokumente verlangen oder ein Gutachten anfordern.
  • Es gilt der Grundsatz „Reha vor Rente“. Eine Erwerbsminderungsrente wird demnach nur gezahlt, wenn die Erwerbsfähigkeit trotz medizinischer oder beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen nicht wiederhergestellt werden kann.
  • Abstrakte Verweisung: Kann der Betroffene noch (zumindest stundenweise) andere „zumutbare“ Tätigkeit ausüben, wird die Erwerbsminderungsrente nur anteilig oder überhaupt nicht gezahlt.
  • Das bedeutet: Leistungsberechtigt sind nur Versicherte, die aufgrund einer Behinderung oder Krankheit in keinem (!) auf dem Arbeitsmarkt üblichen Beruf mehr als sechs Stunden pro Tag arbeiten können (teilweise Erwerbsunfähigkeit). Die volle Erwerbsminderungsrente beziehen lediglich Betroffene mit einer Erwerbsfähigkeit von weniger als drei Stunden täglich.
Rentenanspruch in Höhe von Bei Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von
100 Prozent < 3 Stunden täglich
50 Prozent 3 – 6 Stunden täglich
0 Prozent > 6 Stunden täglich

(Quelle: Deutsche Rentenversicherung)

Selbstständige und Freiberufler gehen sogar gänzlich leer aus. Einzige Ausnahme: Du bist über die Künstlersozialkasse in der deutschen Rentenversicherung pflichtversichert.

Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist unverzichtbar!

Aus diesem Grund ist es unerlässlich, dass du dich zusätzlich zur gesetzlichen Erwerbsminderungsrente privat gegen eine Erwerbsunfähigkeit absicherst. Experten zählen die Berufsunfähigkeitsversicherung zu den „unverzichtbaren Versicherungen“ in Deutschland. Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist die falsche Stelle für Sparsamkeit. Schließlich geht es hier um Ihre Existenz.

Tipp: Überprüfe regelmäßig deine Versicherungspolicen und spare bei überflüssigen Verträgen zugunsten der unverzichtbaren Versicherungen – wie der BU-Versicherung.

Häufigste Ursachen: Berufsunfähigkeit kann jeden treffen

Bis zu 43 Prozent kann die Wahrscheinlichkeit einer Berufsunfähigkeit je nach Alter und Geschlecht betragen – so viel hast du bereits gelernt. Dabei handelt es sich keineswegs nur um Gerüstbauer und Dachdecker. Im Gegenteil: Unfälle sind nur in zehn Prozent der Fälle die Ursache einer Berufsunfähigkeit. Viel häufiger sind (Quelle: Finanztip)

  • Psychische und nervliche Erkrankungen (31 Prozent)
  • Erkrankungen am Skelett und Bewegungsapparat (22 Prozent)
  • Krebs (14 Prozent)
  • Sonstiges (23 Prozent)

Und eben diese Krankheiten können jeden treffen – auch dich! Selbst ein scheinbar stressfreier Bürojob kann durch die steigende Komplexität der Aufgaben, den wachsenden Zeitdruck oder eine schlechte Arbeitsatmosphäre durch ständige Umstrukturierungen sowie die Angst vor einem Arbeitsplatzabbau zur echten Belastung werden.

Rund jeder fünfte Deutsche bezieht vor der Alters- eine Erwerbsminderungsrente, hinzu kommen zeitweise Berufsunfähige, welche die Leistungen also für ein halbes, ganzes oder mehrere Jahre beziehen und anschließend wieder in das Arbeitsleben zurückkehren können. Auch in einem solchen Fall springt eine private Berufsunfähigkeitsversicherung ein.

Was genau ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung?

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt dir nämlich eine monatliche „Rente“ aus, wenn du dauerhaft oder zeitweise deinen versicherten Beruf nicht mehr ausüben kannst. Der § 172 VVG regelt:

„(1) Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der Versicherer verpflichtet, für eine nach Beginn der Versicherung eingetretene Berufsunfähigkeit die vereinbarten Leistungen zu erbringen.

(2) Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.

(3) Als weitere Voraussetzung einer Leistungspflicht des Versicherers kann vereinbart werden, dass die versicherte Person auch keine andere Tätigkeit ausübt oder ausüben kann, die zu übernehmen sie auf Grund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.“

Wichtig ist, dass du auf eine Police ohne abstrakte Verweisung achtest. Dann zahlt die Berufsunfähigkeitsversicherung nämlich auch, wenn du theoretisch einer anderen Tätigkeit nachgehen kannst. Gezahlt wird zudem in der Regel, wenn du laut ärztlicher Diagnose voraussichtlich für mindestens ein halbes Jahr zu 50 oder mehr Prozent berufsunfähig bist.

Was kostet eine BU-Versicherung?

Im Gegensatz zur Erwerbsminderungsrente der Deutschen Rentenversicherung ist die Höhe des ausgezahlten Betrags bei der Berufsunfähigkeitsversicherung unabhängig von deinem bisherigen Einkommen. Auch hierüber wird stattdessen eine individuelle Vereinbarung im Versicherungsvertrag getroffen.
Allerdings gilt natürlich auch die Regel: Je höher die monatliche Rente, umso höher deine zu zahlenden Versicherungsbeiträge. Und wie bereits erwähnt sind Berufsunfähigkeitsversicherungen leider keine Schnäppchen. Wie hoch deine Beiträge schlussendlich sind, hängt zudem von zahlreichen weiteren Faktoren ab:

  • Berufsgruppe
  • Vorerkrankungen
  • Riskante Hobbys
  • Alter
  • Rentenhöhe
  • Abstrakte Verweisung
  • Versicherungsdauer
  • Versicherungsumfang
  • Ausschlussklauseln
  • Kündigungsfrist

Zwar gibt es Policen mit sogenannter Rückvergütung, laut Experten lohnen sich diese aufgrund noch höherer Monatsbeiträge aber nur in den seltensten Fällen. Das bedeutet: Wirst du nicht berufsunfähig, sind diese Beiträge „verloren“. Dies mag der Hauptgrund sein, weshalb so viele Menschen in Deutschland vor dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung zurückschrecken, obwohl sie neben der Haftpflicht- als wichtigste Zusatzversicherung gilt.

Worauf musst du achten?

Gehe dabei in folgenden Schritten vor:

  • Schließe eine Berufsunfähigkeitsversicherung so früh wie möglich ab, bestenfalls ohne Vorerkrankungen.
  • Denke zeitgleich über den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung nach, falls die Versicherung im Fall der Berufsunfähigkeit die Zahlung verweigern möchte.
  • Ermittle deinen monatlichen Finanzbedarf im Fall der Berufsunfähigkeit. Wie hoch müsste die Rente sein, damit du einen sozialen Abstieg verhindern kannst? Vergesse dabei keinesfalls die Inflation!
  • Lasse dich von einem kompetenten Versicherungsmakler beraten und führe gemeinsam eine anonyme (!) Risikovoranfrage durch.
  • Beantworte alle Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß und füge eventuelle ärztliche Dokumente bei. Im Fall einer Berufsunfähigkeit darf der Versicherer Einsicht in die relevanten ärztlichen Dokumente verlangen. Sollte sich herausstellen, dass du bei deiner Krankheitsgeschichte geflunkert hast, erlischt dein Anspruch auf Rentenzahlungen.
  • Meide Kombiprodukte, bei welchen die Berufsunfähigkeitsversicherung zum Beispiel mit einer Risikolebensversicherung gekoppelt ist.
  • Prüfe die Versicherungsgesellschaft auf ihr Rating. Berufsunfähigkeitsversicherungen sind Langzeitpolicen. Geht der Versicherer in diesem Zeitraum insolvent, sind deine Beiträge sowie Leistungsansprüche hinfällig.

Checkliste Berufsunfähigkeitsversicherung

Wir haben dir zur besseren Übersichtlichkeit einer praktischen Checkliste aufbereitet.Auf was Sie bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung achten sollten

Alternativen zur BU-Versicherung

Beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung können die Gesundheitsfragen zu einem echten Problem werden. Besitzt du bereits Vorerkrankungen, drohen nämlich

  • die komplette Ablehnung,
  • ein Risikozuschlag und dadurch deutlich höhere Monatsbeiträge oder
  • eine Ausschlussklausel.

Besonders schwierig wird es im Fall einer Vorerkrankung, welche in die Risikobereiche fällt, also vor allem psychische oder Erkrankungen von Nerven, Rücken, Bewegungsapparat oder Krebs. Droht dir also aufgrund einer Vorerkrankung bereits die Berufsunfähigkeit, ist es für den Vertragsabschluss bereits zu spät.

Extra-Tipp: Beantrage bei deinem Hausarzt Akteneinsicht. So verhinderst du eine unabsichtliche Falschangabe bei den Gesundheitsfragen und dadurch das nachträgliche Erlöschen des Versicherungsschutzes.

Du kannst je nach individueller Situation vielleicht auf eine der folgenden Alternativen zurückgreifen, welche jedoch im Gegensatz zur Berufsunfähigkeitsversicherung in der Regel einen sehr eingeschränkten Versicherungsschutz bieten:

  • Erwerbsunfähigkeitsversicherung
  • Dread Disease Versicherung
  • Grundfähigkeitenversicherung
  • Multi Risk Versicherung
  • Unfallversicherung

Besitzt du auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung? Oder hast du bereits Erfahrungen mit der Berufs- beziehungsweise Erwerbsunfähigkeit gemacht? Welche Tipps, Ratschläge oder Warnungen hast du für unsere Leser? Wir freuen uns auf deinen Beitrag in den Kommentaren!

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