Sie träumen schon Ihr Leben lang von der Selbstständigkeit? Oder Sie haben sich neben Ihrem Angestelltenverhältnis freiberuflich ein extra Einkommen aufgebaut und stehen nun vor der Frage: Wage ich den Sprung ins kalte Wasser und werde Freiberufler – oder bleibe ich doch lieber im „warmen Becken“ namens Angestelltenverhältnis? Wir haben jetzt zehn Tipps für Sie, mit welchen Sie sich die Antwort am Ende dieses Artikels selbst geben können!

Inhalt
1. Nebenberuflich selbstständig – und dann?
2. „Frei“berufler: Viele Deutsche träumen von der Selbstständigkeit
3. Exkurs: Freiberuflichkeit vs. Selbstständigkeit – Worin liegt der Unterschied?
4. Pro und Contra: Freiberuflichkeit – ja, oder lieber doch nicht?

Nebenberuflich selbstständig – und dann?

Sein eigener Chef sein, ein Hobby zum Beruf machen, flexible Arbeitszeiten, Home-Office oder auch das eigene Startup: Viele Deutsche träumen von der Selbstständigkeit. Die einen sehnen sich nach dem großen Geld, die anderen nach Freiheit und die Dritten haben einfach eine unschlagbare Geschäftsidee und handeln gemäß dem Motto:

„Wenn ich sie nicht umsetze – wer dann?“

Welche auch immer Ihre Motive sein mögen, um ernsthaft über den Sprung in die Selbstständigkeit nachzudenken: Sie sollten diesen Schritt vorab gut überdenken. Nur die Wenigsten machen sich schließlich „vom Studium weg“ selbstständig oder aus einer Lebenssituation heraus, in welcher sie „ohnehin nichts zu verlieren haben“. Häufiger entsteht eine Selbstständigkeit aus einem Angestelltenverhältnis oder vielleicht einem Nebenerwerb heraus.

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Sie haben damit die „sichere“ Variante gewählt, können die Selbstständigkeit vorsichtig aufbauen, ein wenig den großen Zeh ins Wasser hängen und prüfen, ob es Ihnen nicht doch zu kalt ist, um hineinzuspringen. Das ist durchaus sinnvoll und ein Modell, welches 30 Prozent der Deutschen für eine Selbstständigkeit bevorzugen würden.

Statistik: Wie können Sie sich eine Selbstständigkeit am ehesten vorstellen? | Statista
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Doch wenn Ihr Nebenerwerb wächst, lukrativer wird und immer mehr Zeit in Anspruch nimmt, stehen Sie früher oder später zwangsweise vor der Frage: Halte ich mein Nebengewerbe als solches klein oder lasse ich mich auf das Wachstum ein und entscheide mich zugunsten meiner Selbstständigkeit gegen das (bisherige) Angestelltenverhältnis?

„Frei“berufler: Viele Deutsche träumen von der Selbstständigkeit

Für fast 70 Prozent der Deutschen kommt der Schritt in die Selbstständigkeit (zumindest in den nächsten zwei Jahren) überhaupt nicht infrage.

Statistik: Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie sich innerhalb der nächsten 2 Jahre selbständig machen bzw. freiberuflich tätig werden? | Statista
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Doch wenn wir uns diesen bundesweiten Durchschnitt genauer ansehen, so sind es vor allem die älteren Generationen, welche vor der risikobehafteten Selbstständigkeit zurückschrecken. Die junge Generation Y gibt hingegen ein anderes Bild ab: Mit 44 Prozent möchten sich fast die Hälfte ihrer Vertreter im Zuge ihrer Berufslaufbahn früher oder später selbstständig machen.

Es bricht die Zeit der „Generation Unternehmertum“ an. „Frei“ ist dabei das Stichwort, welches für viele Millenials so verlockend klingt. „Frei“berufler sein – das muss doch schön sein! Klar, wie der Name verspricht, bringt das Dasein als Freelancer durchaus zahlreiche Vorzüge mit sich. Doch es wäre falsch, in verklärte Träumereien vom Schlaraffenland zu verfallen. Denn wie immer im Leben, hat auch diese Medaille zwei Seiten. Freiberuflichkeit – das bedeutet eben nicht nur Chance, sondern auch ein Risiko, welches es im Voraus abzuwägen gilt. Und genau hierbei möchten wir Ihnen heute unter die Arme greifen!

Exkurs: Freiberuflichkeit vs. Selbstständigkeit – Worin liegt der Unterschied?

Freiberuflichkeit? Gewerbe? AG? GmbH? Sind Sie jetzt verwirrt? In Deutschland gibt es viele verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten einer Selbstständigkeit, die natürlich jeweils ihre juristischen und steuerlichen Besonderheiten mit sich bringen. Der Einfachheit halber soll es deshalb in diesem Artikel explizit um Freiberufler gehen.

Lese-Tipp:Guide: Arbeiten als Freelancer – Das müssen Sie alles wissen

Das bedeutet aber nicht, dass die folgenden Fragen und Tipps nicht auch für Sie als Gewerbetreibender, Gesellschafter & Co interessant sind. Rund vier Millionen Selbstständige gibt es derzeit in Deutschland.

Und was ist mit Ihnen? Möchten auch Sie bald dazugehören oder ist das „sichere“ Angestelltenverhältnis doch das besser zu Ihnen passende Modell? Wenn Sie sich diesbezüglich noch unsicher sind, sollten Sie vor Ihrer endgültigen Entscheidung folgende zehn Tipps, Fragen, Vor- und Nachteile berücksichtigen…

Pro und Contra: Freiberuflichkeit – ja, oder lieber doch nicht?

#1: Befinden Sie sich in einem Angestelltenverhältnis? Wenn Sie Ihren Berufseinstieg noch vor sich haben oder sich gerade ohnehin inmitten der Jobsuche oder einer beruflichen Neuorientierung befinden, könnte dies der perfekte Zeitpunkt für den Sprung in die Freiberuflichkeit sein – oder, um einen bereits bestehenden Nebenerwerb auszubauen.

#2: Wären Sie bereit, ein Leben in „Unsicherheit“ zu führen? Wenn Sie sich für die Freiberuflichkeit und gegen ein Angestelltenverhältnis entscheiden, müssen Sie sich auf ein Leben ohne Sicherheiten einstellen. Wer weiß schon, ob Sie als Freiberufler nächsten Monat noch ausreichend Aufträge und damit ein Einkommen haben werden? Was, wenn Sie krank werden? Oder wenn die Konkurrenz Ihr Honorar in den Keller drückt? Ein Freiberufler muss jede Nacht ruhig schlafen können – auch ohne zu wissen, ob und wie es am nächsten Tag, im nächsten Monat oder in den nächsten Jahren für ihn beruflich und finanziell weitergeht.

Wenn Sie hingegen zu den Menschen zählen, für welche ein sicherer Arbeitsplatz für das Wohlbefinden essentiell ist, könnte die Freiberuflichkeit zum Dauerstressor werden – und damit zur Non-Stop-Fahrkarte in ihr Unglück. Wenn Sie aber mit einem Schulterzucken antworten„Welcher Arbeitsplatz ist heutzutage schon sicher?“ oder „Es wird schon alles seinen Lauf nehmen und funktionieren“, sind Sie wohl ein geborener Freiberufler!

#3: Papierkram? Kein Problem! Herzlich Willkommen im Bürokratie-Dschungel Deutschland. Freiberuflichkeit bedeutet viel Papierkram vom Finanzamt, eine Menge Stunden über der Buchhaltung und regelmäßige Rücksprachen mit dem Anwalt. Sie lassen die angenehme Arbeitsteilung im Angestelltenverhältnis hinter sich und sind als Freiberufler plötzlich ein auf sich allein gestellter Allrounder. Steuern, Buchhaltung, Kundenakquise, Marketing, Sekretär/in…Sie sind jetzt „All-in-One“.

Wenn Ihnen diese Abwechslung Freude bereitet und Sie auch kein Problem damit haben, sich in neue – leider nicht immer spannende – Bereiche einzuarbeiten, dürften Sie die vielen (unbezahlten) Stunden über Papierkram & Co als Freiberufler nicht weiter stören. Wenn Ihnen bei diesem Gedanken allerdings bereits nervös das Augenlid zuckt, entscheiden Sie sich vielleicht doch lieber für das geregeltere Angestelltenverhältnis.

#4: Arbeiten Sie gerne im Home-Office oder träumen Sie von einem Leben als digitaler Nomade? Dann können Sie sich diesen Wunsch bislang meist nur über eine Selbstständigkeit erfüllen. Nur die wenigsten Arbeitgeber sind schließlich zum Stand heute fortschrittlich genug, ihren Mitarbeitern völlige Freiheit über die Bestimmung ihres Arbeitsortes zuzusprechen. Home-Office – das mag als Angestellter (zumindest teilweise) realistisch sein.

Ein Leben als digitaler Nomade? Diesen Traum sollten Sie sich stattdessen über die Freiberuflichkeit erfüllen. Aber auch hier gilt es im Voraus zu prüfen, ob es sich wirklich um das Lebens- und Arbeitsmodell Ihrer Zukunft handelt. Denn wie meine Kollegin Jessika Fichtel bereits sagte:

Lese-Tipp:Digitale Nomaden: Das Leben ist nicht immer eitel Sonnenschein

#5: „Frei“beruflichkeit bedeutet auch „freie“ Zeiteinteilung. Wenn Sie nicht direkt als digitaler Nomade um die Welt tingeln möchten, so klingen „flexible Arbeitszeiten“ dennoch für viele Menschen wie Musik in den Ohren. Gerade für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie können diese Gold wert sein. Allerdings handelt es sich oftmals um einen Trugschluss, wenn Sie denken, Freiberuflichkeit bedeute höchste Freiheit bei Ihrer beruflichen (und privaten) Zeiteinteilung. Je nach Tätigkeit und Branche müssen Sie sich nämlich auch hier nach Ihren Kunden, Patienten oder Lieferanten richten. Freiberuflichkeit – das heißt in der Regel sogar mehr Arbeit als in einem Angestelltenverhältnis.

Zudem sind viele Selbstständige „24/7“ erreichbar und so etwas wie Feierabend, ein freies Wochenende oder gar Urlaub ist für Freiberufler ein teurer Luxus. Schließlich bedeutet jeder Arbeitsausfall auch bares Geld. Ist Ihnen die „freie“ Zeiteinteilung das wirklich wert?

#6: Steht Ihre Familie hinter dem Vorhaben „Freiberuflichkeit“? Auch, wenn Sie nämlich zugunsten der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit der Selbstständigkeit liebäugeln, wird sie für Ihre Partnerschaft, Kinder und (pflegebedürftigen) Angehörigen große Umstellungen bedeuten. Gerade als alleinige/r „Ernährer/in“ der Sippe erscheint den Partnern das Risiko häufig zu hoch und die Entscheidung gegen den Willen der Familie sorgt für Konflikte, Druck und Stress. Lautet Ihre Antwort auf die Frage also „Nein“, sollten Sie den Sprung in die Selbstständigkeit noch einmal gründlich überdenken.

#7: Wie gut ist Ihr Umgang mit Geld? Wo wir gerade beim Thema „Sicherheit“ und „Ernährer/in“ sind, sollten Sie sich einmal kritisch begutachten. Können Sie wirklich gut mit Geld umgehen? Sind Sie in der Lage, Ihre Finanzen zu haushalten und sich finanzielle Rücklagen zu erwirtschaften? Oder besitzen Sie vielleicht bereits ausreichend Geld auf der hohen Kante, um sechs Monate ohne Einkommen überbrücken zu können? Dies ist nämlich der von Experten empfohlene Betrag. Wenn Ihnen das unrealistisch erscheint, setzen Sie lieber auf das sichere Arbeitseinkommen eines Angestelltenverhältnisses (und das im Notfall anschließende Arbeitslosengeld).

#8: Jippie, mehr Freiheit bei den Versicherungen! Oder nicht? Eine Arbeitslosenversicherung haben Sie als Freiberufler nämlich nicht zwingend. Zwar können Sie diese freiwillig abschließen, jedoch nur unter gewissen Voraussetzungen und Experten halten dies ohnehin für unlukrativ. Super, da haben Sie sich doch gleich ein paar Euro im Monat gespart. Und ebenso bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Denn auch diese ist für viele Freiberufler keine Pflicht mehr. Achso, da wäre ja noch die Krankenversicherung. Nun, die müssen Sie fortan gänzlich aus eigener Tasche bezahlen – es sei denn, Sie sind Mitglied der Künstlersozialkasse.

Lese-Tipp: „Die Künstlersozialkasse – Absicherung für Selbstständige“

Dafür dürfen Sie aber in den meisten Fällen frei zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung wählen. Wenn Sie sich gerne mit einem solch komplizierten Thema wie Versicherungen auseinandersetzen und die Vorteile in dem Umstand sehen können, dass Sie fortan vernünftig sein und „die Dinge selbst in die Hand nehmen“ müssen, stellen sie für Ihre Freiberuflichkeit kein Hindernis dar. Wenn Sie hingegen lieber weiterhin in geregelten (Versicherungs-) Verhältnissen leben, bleiben Sie lieber im Angestelltenverhältnis. „Automatisch“ läuft in der Selbstständigkeit nämlich plötzlich überhaupt nichts mehr – und „günstig“ auch nicht!

#9: Keine Einkommensgrenzen mehr, weder nach oben noch nach unten – auch das ist für viele Menschen ein Argument für die Selbstständigkeit. Sie träumen vom großen Geld und wer hart arbeitet, kann als Freiberufler tatsächlich ein deutlich höheres Einkommen erzielen als in einem Angestelltenverhältnis. Doch leider sind die Grenzen auch nach unten außer Kraft gesetzt. Sie sind krank oder im Urlaub? Pech! Dann bleibt Ihr Konto diesen Monat eben leer. Nur die Ausgaben (für Versicherungen & Co), die setzen leider simultan nicht aus. Wenn Sie also von dem großen Geld träumen, führt eigentlich kaum ein Weg an der Selbstständigkeit vorbei. Doch seien Sie sich auch des damit einhergehenden Risikos bewusst!

#10: Nie wieder cholerische Chefs und nervige Kollegen! Als Freiberufler genießen Sie das Privileg, sich Ihre Kunden, Auftraggeber, Lieferanten oder „Teamkollegen“ selbst auszusuchen. Sie fühlen sich mit einem Projekt nicht wohl oder kriegen sich mit einem Kunden in die Haare? Dann können Sie kurzerhand die Zusammenarbeit beenden (natürlich unter Berücksichtigung einer eventuellen vertraglichen Bindung) und sich aus dem Staub machen. Auch das ist allerdings nur möglich, wenn Sie mit einer ausreichend guten Auftragslage gesegnet sind. Zudem müssen Sie bei Großaufträgen in Habachtstellung vor der Falle „Scheinselbstständigkeit“ sein.

Lese-Tipp:Vorsicht: Scheinselbständigkeit erkennen und vermeiden

Sie sehen: Freiberuflichkeit ist mehr als eine schnelle Anmeldung beim Finanzamt. Wir möchten Sie keineswegs verschrecken, doch Ihnen die Augen öffnen vor den kleinen Fallen, Risiken und Schönheitsfehlern des Arbeitsmodells „Selbstständigkeit“. Wer nämlich vom Märchen des Schlaraffenlands träumt, wird früher oder später unsanft auf dem harten Boden der Tatsachen aufprallen.

„Auf der Suche nach dem Schlaraffenland sollte man sich ausreichend mit Proviant versorgen.“
(Gerd W. Heyse)

Es ist daher unerlässlich, dass Sie sich all diese Unterschiede zwischen dem Leben als Freiberufler und jenem als Angestellter bewusstmachen, sie sorgfältig abwägen und dabei einen realistischen Blick auf Ihre Bedürfnisse, Talente, Ängste und Schwächen sowie Ihre individuelle Lebenssituation werfen. Und wenn Sie sich dann (immer noch) für die Freiberuflichkeit entscheiden, möchten wir Ihnen an dieser Stelle gratulieren und Ihnen viel Erfolg wünschen: Sie sind auf einem guten Weg!

Haben auch Sie den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt? Und wenn ja, hatten Sie dieses ebenfalls zunächst als Nebengewerbe betrieben? Welche weiteren Aspekte gilt es Ihrer Meinung nach zu berücksichtigen? Oder haben Sie vielleicht den anderen Weg gewählt und sind von der Freiberuflichkeit in ein Angestelltenverhältnis zurückgekehrt? Welche waren Ihre Beweggründe? Wir freuen uns auf Ihre Anregungen, Tipps und Erfahrungen in den Kommentaren!

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