Größenwahnsinnige überschatten Inkompetenz: Sie gaukeln sich selbst und anderen vor, überdurchschnittlich zu sein – bis sie schließlich selbst daran glauben.

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Lake Wobegon: Eine Illusion der perfekten, begabten Menschen

Es ist die Geschichte eines fiktiven Ortes, einer kleinen und beschaulichen Stadt in den USA namens „Lake Wobegon“, die Namensgeber des psychologischen Phänomens „Lake-Wobegon-Effekt“ ist. Als der 1942 geborene Autor Garrison Keillor die Story erfindet, welche ein Idealbild von Menschen malt, die perfekt, unerschrocken und schön sind, nimmt alles seinen Lauf.

Im erfundenen Lake Wobegon sind Männer und Frauen stets makellos. Kinder auch. Schauen wir uns die reale Arbeits- und Geschäftswelt an, kann Makellosigkeit höchstens vorgetäuscht werden. Und so weit gehen viele Menschen, die größenwahnsinnig werden. Die, die sich selbst überschätzen, zum Beispiel im Job, sollen unter einer sogenannten self-serving bias leiden. Eine selbstwertdienliche Verzerrung, die als Lake-Wobegon-Effekt bezeichnet wird.

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Was steckt hinter dem Lake-Wobegon-Effekt?

Das primäre Ziel der selbstwertdienlichen Verzerrung ist, ein doch eigentlich verklärtes Selbstbild von sich aufrechtzuerhalten: Man lebt im Glauben, besser als der Durchschnitt zu sein. Die maßlose Selbstüberschätzung ähnelt dem berühmten Dunning-Kruger-Effekt, welcher ebenfalls dazu führt, eine hohe Meinung von sich selbst an den Tag zu legen, obwohl das eigene Wissen das der anderen oft sogar unter- und nicht übertrumpft.

Typische Gedanken beim Lake-Wobegon-Effekt:

  • „Ich bin eine höchst kompetente Führungskraft – besser als die anderen.“
  • „Schau dir den Versager an. Das würde ich mit links schaffen.“
  • „Meine Ideen sind sowieso immer sinnvoller als die der Kollegen.“
  • „Ich bin der einzige im Team, der motiviert zur Arbeit kommt. Der Rest packt das nicht.“

Was sind die Folgen des Lake-Wobegon-Effekts?

Überraschenderweise hat ein self-serving bias nicht nur Nachteile, obwohl diese überwiegen. Ein positiver Effekt etwa kann sein, sich in unsicheren Situationen selbstsicherer zu fühlen. Eine psychologische Studie konnte belegen, dass Männer sich hierbei häufiger als Frauen überschätzen, wenn es um ihre Intelligenz geht. Doch ihr selbstsicheres Auftreten kann verkaufsfördernd wirken. Das bedeutet, dass ihre Chancen steigen, eine bestimmte Stelle zu bekommen oder befördert zu werden.

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Übrigens: Tatsächlich intelligenter waren weder Männer noch Frauen in der Studie. Die speziell maskuline Neigung aber, Fähigkeiten zu überschätzen, sei den Wissenschaftlern nach vor allem auf die jungen Jahre zurückzuführen. So sei es keine Seltenheit, dass die Sozialisation von Frauen ohnehin so erfolge, dass ihre Fähigkeiten unterschätzt werden würden, was zur Folge hätte, dass Frauen später nicht unbedingt Karriere machten, Männer aber schon.

Eine negative Folge der Selbstüberschätzung ist die Abwertung anderer, was nicht gerade dazu führt, Freunde zu gewinnen. Vor allem nicht, wenn der Glaube, besser als andere zu sein, nicht nur gedacht, sondern auch arrogant an die Mitmenschen herangetragen wird. Nach dem Motto: „Ich kann das schon ganz gut. Du musst dich aber unbedingt noch verbessern.“

Wer neigt zum Lake-Wobegon-Effekt?

Prädestiniert sind in erster Linie die Menschen, die über ein geringes Selbstwertgefühl verfügen und sich deshalb minderwertig fühlen. Wer sich nicht gut genug fühlt, täuscht es eben vor. Doch Geltungssucht und Größenwahn können auch auf eine entsprechende Erziehung zurückzuführen sein: Wurde Kindern vergöttert und verwöhnt, ohne Bescheidenheit kennenzulernen, steigt die Wahrscheinlichkeit der Überheblichkeit und Selbstüberschätzung. Sich selbst besser als die anderen zu sehen, ist das Resultat.

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Viele Menschen sind betroffen. Geschäftsführer, Künstler, Führungspersönlichkeiten, selbst Otto Normalarbeiter malen sich ein Bild ihrer fiktiven Fähigkeiten, um sich besser zu fühlen, um vorzugaukeln, dass sie überdurchschnittlich gut sind. Vor allem Inkompetenz kann hierdurch gut überschattet werden, weil der Lake-Wobegon-Effekt oft automatisch dazu verhilft, selbstsicher und von sich überzeugt aufzutreten.

Vor allem Machtmenschen, die in der Führungsetagen sitzen, neigen dazu, sich als kompetent zu bezeichnen, obwohl ihre Inkompetenz offensichtlich ist. Die Selbstüberschätzung ist dann wie ein Mantra: Sie reden sich gut zu, bis sie irgendwann selbst daran glauben, besser als alle anderen zu sein.

Vielleicht haben wir uns sogar schon dabei ertappt, auf Kollegen oder Mitmenschen herabzusehen, und das im Glauben, der besserer Autofahrer, das bessere Organisationstalent oder der bessere Teamplayer zu sein.

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Wie erkenne ich Menschen, die ihre Fähigkeiten überschätzen?

Stellt sich heraus, dass jemand nach dem Loblied über seine eigenen Fähigkeiten bestimmte Aufgaben immer wieder vermasselt, ist dies das sicherste Anzeichen dafür, dass eine pure Fehleinschätzung vorliegt. Weitere Anzeichen:

  • Menschen, die glauben, über mehr Wissen zu verfügen, geben stets ihren Senf dazu – obwohl sie nicht gefragt werden.
  • Sie gehen große Risiken ein, ohne sie sachlich zu kalkulieren, weil sie ihre Kompetenz überschätzen.
  • Sie korrigieren dich permanent.
  • Ihr Konkurrenzdenken nimmt ungesunde Züge an.
  • Sie protzen.
  • Sie betonen immer wieder, wie schlecht andere etwas können.
  • Sie treten selbstsicher auf, reagieren jedoch beleidigt, wenn sie hinterfragt werden.

Wie gehe ich mit arroganten Führungskräften und Kollegen um?

Der Umgang mit Menschen, die ihre Fähigkeiten gehörig überschätzen, ist kein einfacher. Wie dieser gelingen kann, hängt außerdem auch mit der Persönlichkeit zusammen. So lässt sich mit einsichtigen Kollegen besser als mit sturen Menschen reden, die von ihrer Haltung nicht abrücken möchten.

Generell können dir folgende Umgangstipps helfen:

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1. Nimm sie, wie sie sind

Regen wir uns jedes Mal auf, wenn Kollegen oder Chefs einen arroganten Laut von sich geben, lassen wir uns selbst in eine Stresssituation versetzten, die sich vermeiden lässt. Menschen, die unter dem Lake-Wobegon-Effekt leiden und glauben, besser als andere zu sein, tun dies nicht, um dich zu ärgern. Sie überschätzen sich, weil sie ihren eigenen Wert steigern wollen – und das hat nur mit ihnen zu tun.

2. Gehe nicht in die Opferposition

Ein übersteigertes Selbstbewusstsein, welches eigentlich kein echtes ist, versetzt das Umfeld von arroganten Menschen manchmal in eine Position, in der die „unfähigen“ Menschen als minderwertig und Opfer dargestellt werden.

Wichtig ist, sich auf solche Spielchen, die aus Unsicherheit heraus resultieren, nicht einzulassen. Macht sich jemand über deine Fähigkeiten lustig, gilt es, nicht impulsiv zu reagieren – denn das ist es, was überhebliche Kollegen und Führungskräfte erwarten. Versuche zunächst, das Gesagte nüchtern zu betrachten: Das, was wir anderen vorwerfen, um sie zu vernichten, sagt viel über uns selbst aus. Positiv ist das nicht.

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3. Konfrontiere sie

Schlucken müssen wir Abwertungen nicht, wenn sie besonders persönlich werden. Greift dich jemand direkt an, kannst du auch auf Konfrontationskurs gehen. Stelle die Person zur Rede: Was meint sie mit dem Gesagten? Kann sie das näher erläutern? Worauf basiert die Aussage? Müssen überhebliche Menschen ihre Angriffe erklären, fehlt ihnen oft die sachliche Ebene zur Argumentation. Spätestens jetzt ist es Zeit, über die Provokation nachzudenken.

4. Suche das Gespräch in einer ruhigen Minute

Oft kann es hilfreich sein, Provokateure in einer ruhigen Minute zur Seite zu ziehen und unter vier Augen über ihr Verhalten zu sprechen. Auch wenn sie dich vor versammelter Mannschaft bloßstellen wollten, um ihre eigenen Fähigkeiten in den Fokus zu rücken, musst du es ihnen nicht gleichtun. Zwar kann Schlagfertigkeit ebenfalls eine Stütze sein, doch manchmal lassen vor allem verunsicherte Menschen mit sich reden, wenn ihr Angriff ein verzweifelter Versuch war, eigene Probleme zu kompensieren, indem sie andere verletzten.

Bild: MangoStar_Studio/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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