Die Meinungsäußerungsfreiheit gilt grundsätzlich auch für politische Äußerungen. Laut einer Studie sprechen rund 30 Prozent der Mitarbeitenden regelmäßig am Arbeitsplatz über Politik. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, solange weder das Unternehmen noch die Mitarbeitenden Schaden nehmen.

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Da politische Diskussionen generell heikel sind und schnell hitzig werden können, ist es wenig ratsam, sich mit Kolleg:innen und Vorgesetzten in eine solche zu begeben, insbesondere wenn es sich um eine Positionierung außerhalb der politischen Mitte handelt. Denn 44 Prozent der Befragten empfinden Politik am Arbeitsplatz als Tabuthema und 28 Prozent glauben, dass die offen kommunizierte politische Einstellung ein Karrierekiller sein kann. 

Wenn das Thema dennoch aufkommt und zur Eskalation führt, wie können Betroffene, Führungskräfte und die Unternehmensleitung dann damit umgehen? Ist eine sofortige Entlassung rechtens?

Der rechtliche Aspekt

Mitarbeitende unterliegen grundsätzlich in Ausübung ihrer Arbeitspflicht dem Weisungsrecht des Arbeitgebenden. Dieser kann jedoch bestimmte Meinungsäußerungen nicht verbieten, da die Meinungsfreiheit zu unserem Grundrecht gehört. Artikel 5 des Grundgesetzes besagt:

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„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Bild und Schrift frei zu äußern und zu verbreiten. Die Meinungsfreiheit umfasst unter anderem jedes Werturteil ohne Rücksicht auf Form, Beweggrund, Wert oder Richtigkeit des Inhalts der Meinungsäußerung bis zur Grenze der Beschimpfung oder Beleidigung. 

Daher würde ein Verbot jeglicher politischer Betätigung und Meinungsäußerung im Unternehmen das Grundrecht der Mitarbeitenden unzulässig einschränken. Dennoch ist dieses Recht nicht grenzenlos, denn die Beschäftigten sind verpflichtet, ihre Treue- und Loyalitätspflichten zu wahren und den Ruf, das Image und die guten Kundenbeziehungen des Unternehmens nicht zu beschädigen. Ebenso wenig dürfen die Persönlichkeitsrechte von Kolleg:innen verletzt werden.

Sich des Provokateurs durch eine fristlose Kündigung zu entledigen, ist daher keine Lösung bzw. ein äußerst schwieriger Prozess.

Was können Diskussionspartner tun, um das Gespräch in ruhige Bahnen zu lenken oder zu beenden?

Das Beherrschen der (Business) Etikette geht unweigerlich mit Höflichkeit einher. Höflichkeit und Wertschätzung sind die Grundpfeiler unseres menschlichen Miteinanders. Wir sollten daher bestrebt sein, unser Gegenüber als Mensch mit eigener Meinung zu respektieren und ihn/sie nicht abzuwerten, wenn wir nicht konform gehen. 

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Gelingt es nicht, frühzeitig das Gespräch auf andere Themen zu lenken oder zu beenden, gibt es einige hilfreiche Verhaltensweisen, um einer Eskalation entgegenzuwirken:

  • Bleiben Sie ruhig und sachlich

Lassen Sie sich nicht zu Provokation oder moralischer Entrüstung hinreißen.

  • Mit offenen Fragen lenken

Indem Sie Ihre:n Gesprächspartner:in mit ehrlichem Interesse begegnen und ihm/Ihr offene Fragen stellen, können Sie nicht nur das Gespräch in Ihre gewünschte Richtung lenken, sondern auch erfahren, wie und wodurch die Meinung und Ängste des Gegenübers entstanden sind. Fragen Sie nach Beispielen aus der eigenen Erfahrung. Anhand derer können Sie sachliche Argumente entgegensetzen und erklären, warum Sie anders denken.

  • Höflich Feedback geben

Es ist hilfreich, zunächst positiv und verständnisvoll auf die Argumente und Beispiele zu reagieren. Damit schaffen Sie eine gemeinsame Basis und nehmen die Schärfe und gegebenenfalls den Widerstand aus dem Gespräch. Auf dieser Basis können Sie dann Ihre Sicht der Dinge mit Ihren Beispielen untermauern.

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  • Sich in Gegenargumenten üben

Es ist von Vorteil, wenn Sie Gegenargumente parat haben, diese auch belegen können und Übung in der Präsentation haben. Bleiben Sie immer sachlich und ruhig.

  • Abgrenzen und auf die Wortwahl achten

Bleiben Sie bei sich und lassen Sie sich nicht provozieren. Machen Sie Ihren Standpunkt klar, was für Sie tolerabel ist und was nicht. Achten Sie auf Ihre Wortwahl, sie kann deeskalierend oder provozierend wirken.

Wenn Sie im Kreis von Zuhörern in eine Diskussion geraten, schlagen Sie vor, das Gespräch zu einem anderen Zeitpunkt, unter vier Augen fortzusetzen. Vor Publikum verhärten sich die Positionen schneller als unter vier Augen, da sich in der Regel Parteien bilden, die den jeweiligen Diskutanten unterstützen. Dies begünstigt eine Eskalationsspirale.

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  • Stopp

Wenn die Diskussion eskaliert, Verschwörungstheorien oder gar Gewaltgedanken in den Raum geworfen werden, sollten Sie das Gespräch abbrechen. Gehen Sie aus der Situation raus, verlassen Sie den Raum.

Gelingt dies nicht, sollten Sie, Ihre:n Vorgesetzte:n einbeziehen und um Schlichtung bitten.

Die Aufgabe der Führungskräfte

Sie haben die Werte und die Unternehmenskultur zu vertreten und vorzuleben. Es ist inakzeptabel, wenn der innerbetriebliche Frieden, die Teamgemeinschaft und eine gute Zusammenarbeit durch Verbreitung persönlicher Meinung gestört werden. Aus diesem Grund sollte die Führungskraft so früh wie möglich eingreifen, um eine mögliche Eskalation abzuwenden.

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  • Vieraugengespräche

Führen Sie zunächst ein Vieraugengespräch mit den Beteiligten und hören Sie sich beide Positionen an, wie es zu dem Konflikt kommen konnte. Erinnern Sie an die Werte und die Kultur des Unternehmens hin. Wenn diese bei der Einstellung kommuniziert wurden, hat sich jeder Mitarbeitende verpflichtet, sich danach zu richten und sie zu respektieren. Die Unternehmenskultur ist die Leitplanke für die Zusammenarbeit. Wird sie verletzt, können Sie darauf hinweisen, dass dies zu Konsequenzen führen kann.

  • Gemeinschaftliche Lösung

Ein Mediationsgespräch mit den beiden Diskutanten sollte folgen, um einen friedlichen Umgang miteinander zu finden. Wenn die Diskussion eskaliert ist, wird das Team dies mitbekommen haben. In diesem Fall ist es sinnvoll und im Sinne der Gemeinschaft, eine Teamsitzung einzuberufen, um zu vereinbaren, wie in Zukunft in einem ähnlichen Fall miteinander umgegangen, welcher Rahmen gesetzt wird und welche Themen ausgeklammert werden sollen. Durch die gemeinsame Vereinbarung im Team, wird die Gemeinschaft gestärkt und die Unruhe legt sich. Die neuen Regeln helfen, sich zukünftig abgrenzen und als Beobachter helfend einschreiten zu können.

Dilemma von Führungskräften

Politische Diskussionen finden auf allen Unternehmensebenen statt und auf allen Hierarchieebenen schwingt die Sorge mit, dass solche Diskussionen für die Beteiligten unangenehm werden, eskalieren oder gar zum Karrierekiller werden könnten.

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Auf der anderen Seite wird von den Führungskräften erwartet, dass sie sich positionieren, weil es für die Mitarbeitenden wichtig ist, ihre Führungskraft einschätzen zu können. Dies ist die Grundlage für Vertrauen in die Person. Bezieht die Führungskraft keine Position, werden die Mitarbeitenden unsicher und misstrauisch.

Studien belegen, dass sowohl Mitarbeitende als auch Kunden klare öffentliche Stellungnahmen zu gesellschaftlichen Themen erwarten. Dem auszuweichen, sich mit neutralen Ausflüchten und Plattitüden der Diskussion zu entziehen, führt oft zu Unmut und Argwohn und ist folglich kontraproduktiv. Eine klare Positionierung macht einerseits die Führungskraft sichtbar und verdeutlicht und stärkt andererseits die Leitplanken des Unternehmens.

Was Unternehmen tun können

  • Eine Beschwerdestelle einrichten

Sollten sich Mitarbeitende bedrängt fühlen, Rassismus, Antisemitismus oder Verschwörungstheorien erleben oder beobachten, können sie sich vertrauensvoll an diese Stelle wenden.

  • Psychologische Beratung

Gibt es eine Anlaufstelle für betroffene Mitarbeitende, in der sie psychologische Unterstützung erfahren, ist das gleichzeitig eine Entlastung für die Führungskräfte.

  • Schulungen, Coachings und Netzwerke

unterstützen und stärken die Führungskräfte, mit eskalierenden Situationen umzugehen, die geeignete Kommunikation einzusetzen und Konflikte zu schlichten.

Netzwerke und digitale Plattformen innerhalb und außerhalb des Unternehmens können Führungskräften die Möglichkeit bieten, Erfahrungen über bewährte Verfahren im Umgang mit spezifischen Konflikten zu sammeln.

  • Klare Richtlinien

Unternehmen sollten ihre Unternehmenskultur und -werte überprüfen und diese, sowie klare Richtlinien und Verfahren zur Konfliktlösung und zu einer ethischen Führung überprüfen, entwickeln und kommunizieren.

Fazit

Wenn man die Business Etikette beherzigt, sollte man von kontroversen Themen wie Politik, Wirtschaft, Kirche, Tod, Sex und manchmal auch Fußball, je nachdem, welcher Verein favorisiert wird, im Smalltalk grundsätzlich absehen. Es ist immer ratsam, Streitthemen außerhalb eines geschützten Raumes und eines nicht einschätzbaren Personenkreises zu vermeiden, da sie sehr schnell zu heftigen Auseinandersetzungen führen können.

Im Arbeitsalltag und in der Zusammenarbeit mit Kolleg:innen ist ein gutes Arbeitsklima und ein wertschätzender Umgang miteinander essenziell. So sollte man sich auch in schwierigen Situationen und selbst wenn man sich angegriffen fühlt, immer mit Respekt und Toleranz begegnen. Es ist diplomatisch und weitsichtig, aufkommende hitzige Diskussionen zu vermeiden und das Gespräch zu beenden, auch wenn es einem noch so sehr auf den Nägeln brennt, Stellung zu beziehen.

„Aus Erfahrungen lernen und nicht verzweifeln; im Streit der Meinungen und Interessen nicht die Auffassungen annehmen und versteinern lassen, als seien die Irrtu?mer der einen Seite die Rechtfertigung der anderen.“ (Herbert Wehner)

 

Britta Balogh ist seit über 20 Jahren selbstständig. Sie ist Karrierecoach, Speakerin, Autorin und Wegbereiterin für Führungskräfte auf ihrem Karrierweg. In Ihren Artikeln, Seminaren und Coachings behandelt sie Themen wie Soft Skills, Kommunikation, Business-Etikette und Führung und erklärt, wie diese Fähigkeiten die Karriere beflügeln können.

Bild: SDI Productions/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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