Pandemie, Inflation, New Work: Die Frage, wie Arbeit in Zukunft aussehen soll, spaltet Arbeitgeber und Beschäftigte zunehmend. Die wichtigsten Konfliktpunkte hier im Überblick.

Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber bekommen die Wirkung der letzten Jahre und die der aktuellen Krisen hautnah zu spüren. Das Konfliktpotenzial ist groß. Während Unternehmen mit den wirtschaftlichen Folgen von Pandemie und Inflation zu kämpfen haben und sich auf die Forderungen von Beschäftigten einstellen müssen, hinterfragen Arbeitnehmer ihre Jobsituation, denken über ihre berufliche Zukunft und die Art, wie sie arbeiten möchten, nach – oder müssen sich nach einer Entlassung wieder aufbauen.

Welche Konflikte spalten Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

1. Konflikte in Bezug auf Führungskultur

Wie muss Führung heute aussehen? Arbeitgeber, die sich über viele Jahre hinweg eine Führungskultur aufgebaut haben, stehen heute vor neuen Herausforderungen. Neu, weil Führungsaufgaben generell eine Mammutaufgabe sind – und die neue Arbeitswelt nun wieder Veränderungsprozesse in Gang setzt. Spannend ist hierbei die Fremd- und Eigenwahrnehmung von Führungskräften: Wie eine Untersuchung von StepStone zeigt, finden 97 Prozent der Vorgesetzten, dass sie die Arbeitsleistung von Mitarbeitern genügend würdigen. Das sehen nicht alle Arbeitnehmer so. Denn nur 57 Prozent stimmen dieser Wahrnehmung zu.

Selten gingen die Vorstellungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern so weit auseinander. Vor allem Vorgesetzte, die bisher einen eher autoritären, strengen oder konservativen und von Hierarchie geprägten Stil bevorzugt haben, kollidieren mit Arbeitnehmern, die Empathie, Offenheit und Flexibilität von ihren Chefs fordern.

Die Schwierigkeit besteht darin, Kompromisse zu finden. Das ist aufgrund von jahrelanger Prägung und individuellen Wertvorstellungen der Führungskräfte gar nicht so leicht. Umdenken erfordert zunächst Einsicht. Fehlt dieser Schritt, fällt es oft auch schwer, sich Veränderungen gegenüber zu öffnen. Ein Mentalitätswandel ist aber dringend notwendig, um Arbeitnehmer für sich und das Unternehmen zu gewinnen – und das langfristig.

2. Geldfragen und Verdienststrukturen verunsichern Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Dass in Deutschland generell nicht gerne über Geld gesprochen wird, war bisher Teil der deutschen Kultur. Das verändert sich gerade – und dieser Punkt birgt ebenfalls ein großes Konfliktpotenzial. Weil Arbeitnehmer immer offener über ihren Verdienst sprechen, um gerechtere Strukturen zu schaffen und beispielsweise die Gender Pay Gap (Lohnlücke zwischen Männern und Frauen) zu minimieren, tun sich Schwierigkeiten auf. Sollten offene Gehaltsstrukturen künftig zum „New Normal“ werden, sehen sich Arbeitgeber zunehmend unter Druck gesetzt. Denn auch diejenigen, die bereits zu den Hochverdienern gehören, könnten immer mehr verlangen und den Verdienst so als Druckmittel nutzen.

Auf der anderen Seite gibt es bereits Unternehmen, zu denen allen voran junge Startups mit flachen Hierarchien gehören, die für mehr Offenheit einstehen und Transparenz vorleben. Faktoren, welche über die Verdienstmöglichkeiten entscheiden, werden offengelegt, um Nachvollziehbarkeit zu schaffen. So bekommen Arbeitnehmer die Möglichkeit, ihren Verdienst gezielt zu beeinflussen.

Übrigens: Lohntransparenz hat nicht nur Vorteile – das zeigen zumindest Forschungsergebnisse, welche im „Journal of Organization Behaviour“ veröffentlicht worden sind. Demnach sei es wahrscheinlich, dass die Arbeitszufriedenheit von Arbeitnehmern sinke, wenn sie wüssten, wie viel Geld auf das Konto der Arbeitskollegen fließt. Eine Erklärung hierfür ist das tief in uns Menschen verwurzelte Konkurrenzdenken sowie die Annahme, dass Menschen, die mehr verdienen, auch automatisch mehr Ansehen in der Gesellschaft genießen.

3. Homeoffice und Remote Work – oder doch Büro?

Bereits vor der Pandemie gab es immer wieder Diskussionen, ob Homeoffice ein Modell ist, welches realistisch umsetzbar ist. Nun mussten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer wegen der Pandemie gezwungenermaßen damit auseinandersetzen und eine Art spontanen „Testlauf“ starten – denn anders ging es nicht.

Viele Arbeitnehmer sind auf den Geschmack gekommen und konnten auch ihre Vorgesetzten davon überzeugen, auch weiterhin zumindest einige Homeoffice-Tage anzubieten oder Remote Work zu ermöglichen. Das Konfliktpotenzial wächst: Nicht alle Arbeitgeber können sich darauf einlassen, haben Angst davor, die Kontrolle zu verlieren, wenn keine Mitarbeiterüberwachung erfolgt. Oder aber, dass die Unternehmenskultur bröckeln wird, wenn Arbeitnehmer nicht mehr im „echten Leben“ zusammenkommen, sondern nur noch in virtuellen Teamtreffen.

Ortsflexibilität bietet Arbeitnehmern jedoch vor allem die Möglichkeit einer verbesserten Work-Life-Balance. Viele Beschäftigte argumentieren, dass sie produktiver sind, wenn sie wissen, dass der Weg zur Arbeit und wieder nach Hause entfällt. Zudem lasse sich auf diese Weise Beruf und Familie besser vereinen. Es gilt, Lösungen zu finden, die Bedürfnisse beider Seiten berücksichtigen – und das ist nicht ganz einfach.

4. Mehrarbeit aufgrund von fehlendem Personal sorgt für Konflikte

Ob Meta, Twitter oder andere Unternehmen: Immer mehr Arbeitgeber, allen voran in der Tech-Branche, fordern Höchstleistungen und mehr Produktivität von Arbeitnehmern. Hier fehlen jedoch Fachkräfte. Und gleichzeitig werden Arbeitnehmer damit konfrontiert, gehen zu müssen, wenn sie nicht abliefern.

Das alles geht Arbeitnehmern gehörig gegen den Strich: Sie sind nicht länger bereit, Mehrarbeit zu leisten, weil sie Ausgleichsarbeit wegen des fehlenden Personals leisten müssen. Sie sind auch nicht mehr bereit, ihre mentale und körperliche Gesundheit zu riskieren – denn Depressionen, Burnout und Bluthochdruck sind mittlerweile echte „Volksleiden“ geworden, bei denen Arbeitsstress in der modernen Arbeitswelt eine essenzielle Rolle spielen.

Der Konflikt zeigt sich deutlich: Auf der einen Seite sind da die Unternehmen, die Kosten einsparen und Personalengpässe ausgleichen müssen. Auf der anderen Seite stehen die Beschäftigten, die überlastet sind, sich über fehlende Work-Life-Balance beschweren und über einen Jobwechsel nachdenken, weil ihre Bedürfnisse unberücksichtigt bleiben.

5. Bewerbungs- und Einstellungsprozesse sind weiterhin problematisch

Falsche Versprechungen im Stelleninserat sorgen regelmäßig für böse Überraschungen auf Arbeitnehmerseite. Da stellt sich die Frage: Sind Arbeitgeber aufgrund des Fachkräfte- und Personalmangels wirklich bereit, Grenzen zu überschreiten, die in leeren Versprechungen münden? Ob in den sozialen Medien oder auf Bewertungsplattformen: Auf Arbeitnehmerseite wird immer wieder der Vorwurf laut, mit falschen „Benefits“ angelockt und anschließend fallengelassen zu werden. Andererseits sehen sich Unternehmen dazu gezwungen, schwere Geschütze aufzufahren, um im War for Talents an gute Fachkräfte und Personal zu kommen – doch solche Methoden kommen nicht gut an. Der Konflikt ist auch hier groß.

Wichtig: Ein weiterer Störfaktor für Arbeitnehmer sind lange, intransparente Bewerbungsprozesse. Fehlende Rückmeldungen und Ansprechpartner lassen Bewerber im Dunkeln tappen.

New Normal: Es ist auch ein Generationskonflikt

Die neue Normalität in der Arbeitswelt ist für viele Arbeitgeber bis jetzt nur eine „gefühlte“ Normalität – denn Arbeitnehmer haben den Prozess der Veränderungen schneller wahrgenommen, Forderungen gestellt und sich wegen der Umstände auf einen Arbeitnehmermarkt eingestellt. Was ersichtlich wird, ist, dass es sich hierbei nicht nur, aber auch um einen Generationskonflikt handelt. Während vor allem die jüngeren Arbeitnehmer motiviert sind, sich ihre eigene Arbeitswelt zu erschaffen, tun sich ältere Generationen, die überwiegend in den Führungsetagen sitzen, damit schwer, den Wandel mitzumachen.

Was kann helfen? So einfach ist die Frage nicht zu beantworten. Fest steht aber: Wer den Veränderungsprozess außer Acht lässt oder gar leugnet, kann sich als Arbeitgeber darauf einstellen, (weiterhin) Personal zu verlieren und Fachkräfte nicht mehr länger binden zu können. Obwohl auch Entlassungen immer wieder erfolgen, wird Personal auf lange Sicht und in Zukunft weiterhin fehlen. Wollen Unternehmen überleben, müssen sie in diesen Konflikten Kompromissbereitschaft zeigen. Das steht fest.

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