Eine neue Führungskraft soll im Unternehmen eingearbeitet werden und das Kommando übernehmen? Warum das Onboarding eines neuen CEO oft scheitert – und wie es besser geht: Wir haben es herausgefunden.

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50 bis 80 Prozent der neuen Führungskräfte scheitern in den ersten Monaten

Schon in den ersten Monaten heißt es für viele neue CEOs: „Tschüss, neuer Arbeitsplatz!“, denn einer Untersuchung des US-amerikanischen Corporate Executive Boards (CEB) nach sollen neue Führungskräfte bereits in ihren ersten Arbeitsmonaten an der neuen Rolle verzweifeln. Dass heute schon besonders junge Talente befördert werden, ist einerseits zwar keine Seltenheit und ein Vertrauensbeweis. Andererseits könnte die fehlende Erfahrung einer der Gründe sein, weshalb viele sich mit einer solchen Verantwortung überfordert fühlen. Ist das aber tatsächlich so?

Onboarding: Was sind die konkreten Probleme?

Obwohl man zunächst meinen könnte, dass das Scheitern neuer CEOs auf ihre eigene Person zurückzuführen ist, ist das nicht die einzige Wahrheit. Ein entscheidender Einflussfaktor: die systematische Einarbeitung, auch bekannt als „Onboarding“.

Zwar ist es die allgemeine Erwartungshaltung, dass ein Mensch in der Führungsebene eher Eigeninitiative zeigt und die Zügel in die Hand nimmt. Aber auch unsere Chefs sind eben nur Menschen, die an ihrem ersten Arbeitstag möglicherweise mit einigen Unsicherheiten „neue Ufer“ betreten. Stimmt das Onboarding nicht, kann die Einarbeitung dazu führen, dass neue CEOs das Unternehmen fluchtartig verlassen wollen. Die Fluktuationsrate steigt und Firmen stehen vor einer großen Herausforderung.

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CEO einarbeiten: Welche Punkte sind wichtig?

Greice Murphy gehört zum Netzwerk der Entrepreneurs’ Organization (EO) und kennt die Probleme des Onboardings von neuen Teammitgliedern der Führungsetage. Damit neues Personal in der Führungsebene einen guten Job macht, komme es vor allem auf folgende Punkte an:

  • Die Werte und die Kultur des Unternehmens sind bekannt.
  • Das neue Mitglied lernt Führungskräfte und Belegschaft kennen und gewinnt das Vertrauen des Teams.
  • Es gibt eine faire Chance und genügend Zeit, sich in neue Aufgaben einzuarbeiten.
  • Es ist ein kompetenter Ansprechpartner da, welcher dem neuen CEO in allen Belangen hilft.
  • Zusätzlich: Coaching, ein Mentorenprogramm, ein Leadership-Training oder eine ähnliche Hilfe ist optional vorhanden.

Welche konkreten Maßnahmen sollten Unternehmen beim Onboarding ergreifen?

1. Pre-Boarding beginnen:

Vor dem eigentlichen Onboarding sollte zunächst eine Pre-Boarding-Phase stattfinden. Um als Chef eine neue Führungskraft an das Unternehmen zu binden, geht es nicht nur um eine Vertragsunterzeichnung. Sondern um die Zeit, die zwischen der Unterschrift und dem ersten Arbeitstag liegt.

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Ein gutes Pre-Boarding kann folgendermaßen aussehen:

  • neuen Teammitgliedern beim „Papierkram“ helfen
  • ihnen anbieten, vor ihrem ersten Arbeitstag im Büro vorbeizukommen, um sich umzuschauen und mit der Umgebung vertraut zu machen
  • ein Kaffeetreffen oder ein Mittagessen mit anderen Teammitgliedern organisieren
  • ein Schreiben mit einer Vorstellung des neuen CEOs an das Team versenden

2. Einen Einarbeitungsplan erstellen:

Struktur, Orientierung und Sicherheit gibt ein konkreter Einarbeitungsplan mit zeitlich festgelegtem Rahmen, der zum Beispiel in mehrere Phasen unterteilt werden kann. Ziele sind klar definiert und es wird ersichtlich, wer bei welchen Belangen der richtige Ansprechpartner ist.

3. Herantasten statt ins kalte Wasser schmeißen:

Vor allem in großen Unternehmen passiert es schnell, dass ein Wechsel in der Führungsebene zwar angekündigt wird. Eine richtige Vorstellung und das gegenseitige Beschnuppern finden jedoch nur oberflächlich statt. Murphy empfiehlt, neue CEOs nicht mit den geschäftlichen Anforderungen zu überlasten, sondern ihnen die Chance zu geben, sich zunächst vorzutasten.

Die Belegschaft treffen, Visionen teilen, Ziele festlegen und die konkreten Probleme im Unternehmen kennenlernen – auch das gehört dazu. Ist die neue Leitung mit allem vertraut, kann es langsam an konkrete Aufgaben gehen, die etwas schwerer zu knacken sind.

4. Raum geben, den persönlichen Führungsstil zu entfalten:

Bei einigen merkst du es am ersten Tag, bei anderen dauert es: Früher oder später wird sich der individuelle Führungsstil einer jeden Führungskraft herauskristallisieren. Dieser passt idealerweise zu den Werten und Zielen des Unternehmens.

Wie auch immer der individuelle Stil aussehen mag: Wichtig ist, dass neue Teammitglieder bei der Einarbeitung merken, dass ihr persönlicher Stil wertgeschätzt wird und sie Unterstützung in dem erfahren, was sie tun. Schließlich bedeutet Führen auch, eine führende Rolle einzunehmen, sich positionieren zu dürfen und zu können – und seine Skills zu zeigen. Nur so gelingt es, als Autorität respektiert zu werden und eine gute und ausbalancierte Beziehung zur Belegschaft zu entwickeln.

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5. Unternehmenskultur und Ziele vermitteln:

Sind die Visionen des Unternehmens klar? Wie steht es um die Unternehmenskultur? Beides ist wichtig, damit Führungskräfte ihre Entscheidungen angelehnt an den Werten und Normen eines Unternehmens treffen. Das Näherbringen der Organisationsstruktur ist ein entscheidender Teil der Einarbeitung – vor allem bei externer Personalbeschaffung, da Mitarbeiter aus eigenen Reihen die Strukturen kennen und sich schneller identifizieren.

6. Konkretes Feedback während und nach der Einarbeitungsphase mitteilen:

Feedbackgespräche sind immer Teil einer guten Onboarding-Strategie. Sie helfen uns dabei, Missverständnissen vorzubeugen, Fragen zu stellen und zu erfahren, wo Nachholbedarf besteht.

Die Grundregeln für ein Feedbackgespräch auf Augenhöhe:

  • beschreibende Formulierungen – statt einer Wertung
  • Gespräche zeitnah suchen, um aktuelle Geschehnisse besser einordnen zu können
  • sachliche Genauigkeit – statt vage, emotional überladende Inhalte
  • Nachvollziehbarkeit – zum Beispiel auf konkrete Situationen beziehen

7. Die eigene Unterstützung anbieten:

Nichts ist wertvoller, als „Frischlingen“ die eigene Unterstützung anzubieten – auch wenn es sich um gut qualifizierte, motivierte Führungskräfte handelt. Denn jeder kann eine helfende Hand benötigen.

Auch die Stigmatisierung dieses Themas gehört der Vergangenheit an: Während es früher als Schwäche galt, um Hilfe zu bitten und zu viele Fragen zu stellen, ist es heute ein Zeichen der Stärke. Klare Kommunikation statt Beschämung – das hilft nicht nur dem CEO, sondern auch dem Unternehmen. Denn auf diese Weise ersparen wir uns beispielsweise wirtschaftlich fatale und zeitraubende Fehler, die nicht passieren, wenn wir rechtzeitig und vorbeugend um Aufklärung und Unterstützung bitten.

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8. Darin bekräftigen, den Kontakt zu Interessenvertretern (Teilhaber bzw. Stakeholder) zu pflegen:

Um zu verstehen, was das Unternehmen vom Personal in Führungsposition erwartet, sollten Neue auch die Gesichter „hinter der Kulisse“ kennen. Dazu gehören wichtige Teilhaber, die ein berechtigtes Interesse daran haben, wie bestimmte Arbeitsprojekte, Kampagnen und Planungen verlaufen. Chefs sollten neue CEOs deshalb stets dazu ermutigen, Beziehungen zu den Interessenvertretern zu pflegen, um die Visionen besser zu verstehen. Wichtige Entscheidungen, die wir in einer übergeordneten Position mit Entscheidungsmacht treffen, sollten so immer im Interesse aller erfolgen.

CEO Onboarding – Wir fassen zusammen

Damit CEOs nicht schnell wieder das Weite suchen und Unternehmen ihre Fluktuationsrate in der Führungsebene gering halten, ist ein intelligentes Onboarding wichtig. Das Bedeutendste dabei: eine gute Vertrauensbasis schaffen. So kann der „frische Wind“ sein eigenes Potenzial ungehindert entfalten, die Führung übernehmen und zur Unternehmensvision beitragen.

Ein Tipp zum Schluss: Wer als Führungskraft eine andere Führungskraft einarbeitet, sollte die Eigenarten des anderen respektieren. Führungsstile sind unterschiedlich – und nicht immer kommen wir dabei auf einen Nenner. Vielmehr kommt es darauf an, die Unternehmenswerte miteinander zu teilen und gemeinsam die Visionen des Unternehmens umzusetzen.

Bildnachweis: Charday Penn/istockphoto.com

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Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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