Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) fehlen Menschen im Schnitt 36 Tage wegen psychischen Erkrankungen. Was es damit auf sich hat – und 3 Tipps für Arbeitgeber, die ein sicheres Arbeitsumfeld erschaffen möchten.

Monat der psychischen Gesundheit in den USA

Es ist wieder soweit: In den USA wird jeder Mai der psychischen Gesundheit gewidmet. Das National Committee for Mental Hygiene hat entschieden, diesen als „Mental Health Awareness Month“ zu taufen.

Dass seelische Erkrankungen auch in Deutschland und in der EU eine wichtige Rolle spielen, macht das Bundesministerium für Gesundheit anhand folgender Zahlen deutlich:

  • Etwa 50 Millionen Menschen in der EU leiden laut Angaben des BMG unter Sucht, Erschöpfung und Depressionen.
  • Rund 36 Tage sollen Menschen mit psychischen Erkrankungen im Durchschnitt fehlen.
  • Fehlzeiten gehen in rund 15 Prozent aller Fälle auf seelische Probleme zurück. Sie sollen auch ein Grund dafür sein, dass einige Arbeitnehmer früher als geplant in die Rente gehen.

Seelische Erkrankungen: Herausfordernd für Betroffene – teuer für die Wirtschaft

Obwohl wirtschaftliche Folgen uns eher wenig interessieren, wenn es um die seelische Gesundheit und um Menschenleben geht, fallen die Resultate im Gesundheitssystem und aus staatlicher, volkswirtschaftlicher Sicht besonders auf. Denn: Psychische Erkrankungen sind häufig teuer für die Wirtschaft.

Die gute Nachricht ist, dass es heute nicht „nur“ um Zahlen geht. Denn viele moderne Arbeitgeber rücken die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeiter in den Fokus, um sichere Arbeitsplätze zu erschaffen. Davon profitieren einerseits Arbeitnehmer präventiv und diejenigen, die einen „safe space“ finden, wenn sie psychisch erkrankt sind. Andererseits können Arbeitgeber ihre Angestellten langfristig halten und für eine gute Arbeitsatmosphäre sorgen.

Moderne Arbeitswelt: Wieso erkranken immer mehr Arbeitnehmer?

Bevor es an die praktischen Tipps für Arbeitgeber geht, zunächst etwas zur Dynamik von psychischen Erkrankungen in der Arbeitswelt. Laut Psychologe Dr. Franz-Christian Schubert sollen die Krankenberichte der Krankenkassen zeigen, dass alleine zwischen 2001 und 2012 psychische Erkrankungen für eine Frühverrentung verantwortlich sein sollen.

In der Fachwelt werden mehrere Gründe für diesen Trend genannt:

Der globale Wettbewerb stellt Unternehmen und ihre Arbeitnehmer vor größeren Herausforderungen; der Druck wächst.

Aber: Auch die Technologie spielt eine Rolle. Wegen der Digitalisierung verschwimmen die Grenzen zwischen dem eigenen Zuhause und dem Arbeitsplatz; das Abschalten fällt schwer, worunter die Seele besonders leidet.

Die ständige „Abrufbereitschaft“ (z. B. Erreichbarkeit per E-Mail oder Smartphone) belasten. Das Einarbeiten in neue, dynamische Technologien kann für einige Angestellte besonders schwierig und belastend sein – das psychische Leid wächst parallel.

3 Hinweise: Was können Arbeitgeber tun?

Es gilt, eine gute, gesunde, sichere Arbeitsumgebung zu erschaffen – eben einen „great place to work“, wie es in den USA oft heißt. Dabei helfen vor allem 3 folgende Tipps für Arbeitgeber und Unternehmer in Führungsposition.

1. Ganz oben anfangen: Führungskräfte schulen

Sie sind es, die in erster Linie verantwortlich für Entscheidungen am Arbeitsplatz sind: Führungskräfte. Deshalb sollten Arbeitgeber vor allem auf die Schulung von Verantwortlichen setzen.

Der Grund: Während einige Menschen es „im Blut“ haben, empathisch, mit Weitblick und Intelligenz sowie Organisationsgeschick führen zu können, bedarf es bei andere einer Nachhilfe. Um das psychische Wohlbefinden von Mitarbeitern in den Mittelpunkt zu stellen, fängt die Arbeit deshalb nicht bei der eigentlichen Belegschaft an, sondern eben ganz oben.

Interessant: Eine US-Studie von Catalyst, die 900 Arbeitnehmer involvierte, zeigt, dass eine empathische Führungskraft wichtig ist als Einflussfaktor für besseres, kreatives Arbeiten. Fast 50 Prozent der Befragten kamen zu diesem Entschluss.

2. Gefährdungsbeurteilung durchführen

Empathie ist die eine Sache. Die gesetzlichen Anforderungen an Arbeitgeber die andere. So macht zum Beispiel das Arbeitsschutzgesetz Vorgaben zur Vermeidung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz.

Um die Gesamtsituation besser einschätzen zu können und einen sicheren sowie gesunden Arbeitsplatz zu erschaffen, lohnt sich die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung:

  1. Ermittle, welche Tätigkeitsbereiche eine potenziell mentale Belastung oder Gefahr für Mitarbeiter darstellen.
  2. Sammle so viele konkrete Daten wie möglich, um zu beurteilen, wie hoch die Gefährdungsgefahr ist. Eine Mitarbeiterumfrage kann ein wirksames Instrument bei diesem Vorgang sein.
  3. Werte die Ergebnisse aus und befasse dich mit Präventions- und Schutzmaßnahmen. Das können beispielsweise betriebsinterne Angebote sein, Firmensport, Gesundheitsförderung und Schulungen zum Thema Stress oder Resilienz. Beobachte und dokumentiere auch, welche Maßnahmen wie erfolgreich sind.

Tipp: Die Dokumentation hilft auch dabei, § 6 des Arbeitsschutzgesetzes zu erfüllen. Denn als Arbeitgeber bist du dazu verpflichtet, den Prozess ggf. nachzuweisen.

3. Vorbildfunktion erfüllen: Erschaffe eine offene Kultur

Als Chef und Führungskraft stehst du selbst in der Verantwortung. Nicht nur formale Prozesse und das Einhalten von Gesetzen werden dir dabei helfen, Rücksicht auf Angestellte mit psychischen Problemen zu nehmen. Sondern vor allem, sich selbst zu öffnen.

Nur wer als Führungskraft Emotionen zulässt, schafft eine offene Kultur, die zeigt, dass psychische Erkrankungen Normalität sind. Während es früher die Norm war, Emotionen zu unterdrücken und vermeintliche Stärke in Form von Strenge und Autorität zu zeigen, ist es heute wichtig, auch nahbar zu sein. Immer mehr Unternehmen machen einen Kulturwandel durch, der zeigt, dass konservative Führungsmodelle einer „Sanierung“ bedürfen.

Das bedeutet:

  • Schaffe eine offene Kultur am Arbeitsplatz, die es zulässt, Menschlichkeit und Emotion zu zeigen.
  • Sei du selbst deinen Mitarbeitern ein Vorbild, indem du einerseits zeigst, dass mentale Überlastungen jeden treffen können und kein Grund sind, sich zu verstecken.
  • Biete andererseits als Führungskraft deine Hilfe in Krisensituationen an (Gesprächsmöglichkeiten, der Verweis an geschulte Ansprechpartner etc.).
  • Finde einen eigenen Raum für dich als Chef, um deine Emotionen zu verarbeiten und schaffe Platz für dein psychisches Wohlbefinden, um deinen Angestellten ein Vorbild sein zu können.

Was außerdem hilft

Menschen mit seelischer Belastung – und das kann jeden von uns treffen – sind auf eine sichere Arbeitsumgebung angewiesen. Vor allem psychische Erkrankungen sind es, die besonders herausfordern sind, wenn Rhythmus und Struktur im Alltag durcheinander geraten. Was hilft, ist, sich als Arbeitgeber über belastende Faktoren bewusst zu werden. Diese können sein:

Fazit

Arbeitgeber sind heute mehr denn je darauf angewiesen, sichere Arbeitsumgebungen zu erschaffen. Dies dient einerseits der Mitarbeiterbindung. Andererseits geht es allen voran um die mentale Gesundheit der Angestellten – denn ohne (mentale) Gesundheit führt kein Weg zum Erfolg des Unternehmens und zur Zufriedenheit der Belegschaft. Psychische Erkrankungen sind deshalb berechtigterweise ein bedeutendes Thema – und kein Tabu mehr.

Als Führungskraft empfiehlt sich eindeutig und vertiefend die Auseinandersetzung mit der psychischen Gesundheit von Arbeitskräften und wie du es schaffst, eine sichere Umgebung zu gestalten – zum Beispiel mit Schulungen und spezifischen Angeboten für deine Mitarbeiter.

Und: mit Offenheit gegenüber dem Thema psychische Gesundheit.

Bildnachweis: Foto von Buro Millennial/www.pexels.com