Der Unternehmenschef sollte ein Praktikum machen, offener für Kritik sein und sich in die Lage seiner Mitarbeiter hineinversetzen. Klingt absurd? Im Gegenteil.

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Je höher der Rang einer Führungskraft, desto geringer ist oft die Bereitschaft (oder der Mut) von Kollegen und Mitarbeitern, dieser offen die Meinung und auch Kritik mitzuteilen, die im besten Fall zu mehr Erfolg und guten Entscheidungen beiträgt. Aber auch CEOs selbst, die über die Zeit immer resistenter gegenüber der Meinung anderer werden, versinken in eine Art Isolation, mit der Überzeugung, schon alles irgendwie im Blick zu haben. Auf kritisches Feedback zu hören, fällt ihnen dann schwer. Und dieses Phänomen ist so präsent, dass es sogar einen Namen hat: CEO-Disease.

CEO-Disease: Da hilft nur ein Perspektivwechsel – auch vorbeugend

Häufig wird dieses Phänomen als eine Art Informationsloch oder -vakuum beschrieben. Hauptentscheidungsträger zeigen sich einerseits uneinsichtig. Andererseits fürchten Mitarbeiter sich selbst davor, Opfer einer harschen Zurückweisung zu werden, weshalb sie lieber schweigen. Selbst die besten Führungskräfte können auf diese Weise scheitern, weil es ihnen an Einsichtigkeit, Kritikfähigkeit und Bescheidenheit mangelt.

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Als Repräsentanten, Entscheidungsträger und Strategie-Verantwortliche hilft es Unternehmenschefs deshalb, sich einmal selbst in die Position ihrer Mitarbeiter einzufühlen, vielleicht einmal wie sie zu arbeiten – und neue Erkenntnisse und Perspektiven für eigenen strategische und unternehmerische Entscheidungen zu gewinnen. Zugleich ist dies eine Möglichkeit, der Belegschaft näherzukommen, Vertrauen aufzubauen und das Team zu stärken.

Zudem nimmt der Perspektivwechsel auch eine Art vorbeugende Funktion ein, um Führungskräfte vor der „Geschäftsführerkrankheit“ zu bewahren.

Möglichkeit 1: Job Shadowing

Der Name ist Programm, denn hinter dem Begriff „Job Shadowing“ verbirgt sich die Idee, Mitarbeiter mit dem Ziel zu „beschatten“, ihnen also als Schatten zu folgen, ihren Alltag und ihre Arbeit kennenzulernen. Das Konzept dient in erster Linie dem Onboarding-Prozess für neue Mitarbeiter als eine Art Training, ohne jedoch selbst zu arbeiten.

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Auf diese Weise haben Beschatter die Chance, verschiedene Herausforderungen und spezielle Eigenheiten der jeweiligen Abteilungen oder Arbeitsabläufe besser zu verstehen. Weil der Fokus auf der reinen Beobachterrolle liegt, ist es häufig möglich, Probleme mit einer gewissen Distanz zu betrachten, Dynamiken zu erkennen, ohne – zumindest für den Moment – selbst eine Lösung finden zu müssen. Dies ermöglicht gute Analysechancen für CEOs, und vor allem einen Perspektivwechsel für wertvolle Insights.

Zugegeben: Vom CEO des Unternehmens „beschattet“ zu werden, wirkt auf Mitarbeiter zumeist doch eher bedrohlich. Eine gute Kommunikation im Vorfeld hilft jedoch, die Absicht hinter dem Vorgehen zu verdeutlichen.

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Möglichkeit 2: Praktikantentage

Auch CEOs können ein Praktikum machen. Richtig gehört: Praktikantentage haben für Unternehmenschefs mehrere Vorteile. Im Gegensatz zum Job Shadowing geht es hier um die praktische Umsetzung theoretischer Kenntnisse und darum, diese zu erweitern und viel Neues dazuzulernen. In einem vorher festgelegten Rahmen und nach Aufteilung klarer Rollen ist es möglich, ein solides Praktikum zu absolvieren. Das Gespräch über die Rollenverteilung und die Ziele des Praktikums sind deshalb so wichtig, weil auch ein solches Vorgehen für Mitarbeiter verwirrend und neu sein kann.

Zugleich bietet es wertvolle Chancen für alle Beteiligten. CEOs schnuppern in den Arbeitsalltag ihrer Mitarbeiter hinein, beteiligen sich selbst aktiv am Geschehen und bekommen ein besseres Gespür für die Atmosphäre, bestehende Herausforderungen und für Verbesserungspotenzial.

Möglichkeit 3: Regelmäßige Feedback-Runden für Führungskräfte

Feedback und Kritik annehmen zu können, ist Übungssache. Auch für CEOs. Weil Fremd- und Eigenwahrnehmung in vielen Unternehmen und vor allem auf Führungsebene spürbar auseinanderklaffen, ist regelmäßiger Austausch zwischen Mitarbeitern und ranghohen Führungskräften deshalb besonders wertvoll.

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Wer beispielsweise als Führungskraft in einem Unternehmen vom CEO eingestellt wird, ist näher an der Belegschaft dran, als der CEO selbst. Ehrliches Feedback und konstruktive Kritik helfen deshalb in vielerlei Hinsicht – sowohl zur Verbesserung der Führungsarbeit an sich und zum Wohl der Mitarbeiter als auch für bessere strategische Entscheidungen.

Zur praktischen Umsetzung ist das Handeln durch die Führungskräfte unbedingt gefragt. Denn in vielen Fällen werden Mitarbeiter nicht von selbst beginnen, sich zu öffnen, wenn ihre Meinung bisher nicht gefragt war oder keine Rolle spielte. Ein klares Signal zu setzen, um Mitarbeiter zu mehr Offenheit zu motivieren, ist wichtig. Damit diese sich trauen, sollte Feedback professionell aufgenommen und nicht verbal und emotional abgestraft werden.

Möglichkeit 4: Empathie als zentrale Kompetenz zum Einfühlen in Mitarbeiter

Selbst regelmäßiger Austausch und Praktikantentage bringen nichts, wenn keine oder nur wenig Empathie vorhanden ist. Deshalb ist sie eine Kernkompetenz für Führungskräfte in allen Rängen, um Mitarbeiter und ihre Probleme und Anliegen zu verstehen.

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Dabei spielt vor allem das aktive Zuhören eine wichtige Rolle. Um besser zu verstehen, wie Mitarbeiter denken, fühlen und arbeiten, hilft es wenig, sie nur aus der Chef-Perspektive wahrzunehmen oder Ratschläge zu erteilen. Es gilt, sich wirklich in die Lage des Mitarbeiters hineinzuversetzen, eigene Perspektiven zunächst beiseitezuschieben und auch offen für ungewöhnliche Meinungen und Ansichten zu sein.

Ist nämlich die Rede von CEO-Disease, also der Geschäftsführerkrankheit, besteht die größte Herausforderung genau darin: Die Führungskraft fokussiert sich nur auf die eigene Perspektive und verpasst wertvolle Chancen, das eigene Unternehmen vor vermeidbaren Fehlern zu bewahren. Ein Perspektivwechsel in Form von Empathie ermöglicht hingegen, die Auswirkung potenzieller Entscheidungen auch aus Sicht der Belegschaft wahrzunehmen.

Der intelligente Umgang mit Gefühlen, Bedürfnissen und Emotionen der Mitarbeiter ist heute zudem gefragter denn je und eine wichtige Fähigkeit. Anders als häufig angenommen hat Empathie zudem nichts mit Verweichlichung zu tun: Sie eröffnet die Möglichkeit für ein innovatives, kreatives, offenes und angenehmes Umfeld. Eine Basis, die jeder CEO begrüßen dürfte, um das Unternehmen gemeinsam zum Erfolg zu führen.

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Bild: Nauval Wildani/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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