Eine HDI-Berufe-Studie zeigt, dass in Deutschland eine Bewegung weg vom Berufsleben stattfindet. Immer weniger Menschen wollen „schuften“.

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Hast du dich in den letzten Jahren gefragt, wie das Leben wäre, wenn du mehr Zeit ohne Arbeit verbringen würdest? Immer mehr Menschen verlieren die Bindung zur Arbeitswelt, zumindest, wenn sie so bleibt, wie sie ist. Der Wunsch nach modernen Arbeitsmodellen und mehr Freiheit, Selbstbestimmung und Flexibilität wird größer. Vor allem die Mentalität der jungen Menschen macht deutlich, dass Veränderung überfällig ist, weil die Lust am Arbeiten vergeht.

Generationsunterschiede

„Lieber kein Job, als unglücklich in einem Job gefangen, der uns herunterzieht“:

So könnte man die Einstellung vieler jungen Leute der Gen Z, aber auch die der Gen Y zusammenfassen.

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„Wer nicht hart schuftet, wird es im Leben zu nichts bringen und sich keinen Wohlstand verdienen“:

So sähe wohl die Version der Babyboomer aus.

Zwischen diesen Generationen befinden sich noch die Jahrgänge der Generationen X, quasi die Kinder der Nachkriegsgeneration. Arbeit spielt eine wichtige Rolle für sie, aber auch auf das Leben möchten sie nicht verzichten.

Heute zählt vor allem die Einstellung der jungen Leute, weil nicht zu leugnen ist, dass sie die Zukunft sind und den Arbeitsmarkt maßgeblich beeinflussen. Aufgrund des riesigen Personalmangels wissen sie auch, dass Unternehmen auf sie angewiesen sind. Eine repräsentative Umfrage der HDI hat jedoch ergeben, dass eben diese jungen Leute klassische Arbeitsmodelle besonders kritisch hinterfragen – denn sie sind nicht bereit, die Bedürfnisse von Arbeitgebern über die der eigenen zu stellen.

Und auch sonst sinkt die Bereitschaft, zu arbeiten – nicht nur unter den jungen Menschen. Der Umfrage nach wünschen sich knapp 48 Prozent der Befragten lieber eine Teilzeitstelle, keinen Vollzeitjob. Jeder vierte Arbeitnehmer aus der Industrie ist zudem bereit, auf einen Teil seines Geldes zu verzichten, damit eine 4-Tage-Woche eingeführt wird.

Zusammenfassend geht die Tendenz deshalb immer mehr in Richtung Selbstverwirklichung. Der Zugang zu Bildung, die Digitalisierung, die Möglichkeiten in einem Industrieland – alles spricht dafür, dass es vielen Menschen, im Vergleich zu früher, deutlich besser geht. Mit der Konsequenz, dass Arbeit nicht mehr alles ist. Es geht nicht jedem so. Aber wer sich den „Luxus“ leisten kann, auf einen Job zu verzichten oder sich zumindest nicht nur an eine Stelle zu binden, tut es.

Gründe, warum Arbeit, wie sie bisher war, für Beschäftigte unwichtiger wird

#1: Ein Job ohne Sinn lohnt sich nicht

Potenzielle Jobkandidaten von heute sind nicht darauf angewiesen, jede Stelle anzunehmen, die ihnen „vor die Füße geschmissen“ wird. Wir sprechen nicht von kurzfristigen Jobs, um sich über Wasser zu halten, sondern von den langfristigen Perspektiven. Sie können es sich leisten, auch weil die Arbeitsmarktsituation sich mit den Jahren verändert hat, einen Job zu suchen, denen sie persönlich als sinnvoll erachten. Denn das ist wichtig für sie: Sinnhaftigkeit. Ist diese nicht gegeben, verzichten sie lieber. Der Stellenwert der Arbeit sinkt.

Mit der Frage „Why“, die denen die Millennials („Generation Why?“) gerne beschrieben werden, ist die Sinnsuche eng verbunden. Die Grundhaltung dieser Generation lässt es kaum zu, das eigene Werte- und Normensystem über Bord zu werfen, um irgendeinen Job zu machen. Einen Sinn für soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Politik wird der Gen Z zugeschrieben. Für viele junge Menschen würde es sich schier wie Verrat anfühlen, wenn sie beispielsweise ein System der Ausbeutung unterstützen würden, anstatt sich einen Job zu suchen, der zu ihrer Moralvorstellung passt.

#2: Miese Arbeitsbedingungen – nein, danke

Durch die Entwicklung eines anderen Selbstverständnisses haben Beschäftigte von heute mehr Selbstbewusstsein: Sie stellen Forderungen. Ein fairer Lohn, keine miserablen Arbeitsbedingungen, pünktlich Feierabend, Wertschätzung für die Leistung, die man erbringt, Respekt und Offenheit – Forderungen und Werte, die nicht jedes Unternehmen umsetzen kann. Auch deshalb wollen (junge) Menschen heute lieber auf einen Job verzichten oder sich eine Stelle mit minimalem Aufwand suchen, die genügend Zeit für Privates lässt, wenn sie Abstriche bei den Arbeitsbedingungen machen müssen.

Zum Jobverzicht: Wichtig zu erwähnen ist, dass es grundsätzlich nicht um die gänzliche Aufgabe von Arbeit handelt. Junge Beschäftigte wollen arbeiten und finden Fleiß sowie Ehrgeiz besonders wichtig. Das zeigen die Studienergebnisse der Shell-Jugendstudie. Aber auf Arbeit, wie sie heute teilweise noch ausgeführt werden muss, auf die wollen sie nicht sitzenbleiben.

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#3: Die psychische Gesundheit geht vor

Mental Health ist nicht nur eine Trendbezeichnung von heute. Seelische Gesundheit und der offene Umgang mit Themen wie Angst und Depressionen wächst. Immer mehr Menschen trauen sich, eine Therapie aufzusuchen oder etwas Gutes für ihre Seele zu tun. Ein harter Job, der uns ausbrennen lässt, passt nicht dazu. Die Einstellung, unseren Job sogar über unsere Gesundheit zu stellen, hat zu viele Menschen in die Erschöpfung getrieben. Deshalb ist es nicht eine seltsame Eigenheit, Grenzen zu setzen. Sondern ein berechtigtes Interesse, um sich und das eigene Leben zu schützen. Auch wenn es bedeutet, dass der Job in den Hintergrund rückt.

#4: Die Pandemie hat gezeigt, dass es anders geht

Die klassischen Arbeitsmodelle verlieren auch an Bedeutung, weil es so viele neue Möglichkeiten gibt. Die Chance, sich online etwas aufzubauen, ist eine davon. Aber auch Homeoffice-Modelle gewinnen zunehmend an Wert. Das wurde besonders durch die Pandemie verstärkt: Was Arbeitgeber sich bis dato nicht vorstellen konnten, mussten sie ab 2020 gezwungenermaßen umsetzen. Beschäftigte hatten so die Möglichkeit, zu erfahren, wie es ist, flexibler zu arbeiten und nicht das Privatleben nach dem Job auszurichten, sondern die Jobzeiten – sofern es möglich war – an das Privatleben anzupassen.

Übrigens: Wie die von der HDI veröffentlichte Studie auch zeigt, ist den Deutschen die Lust am Arbeiten tatsächlich während und nach der Pandemie vergangen. Denn im Jahr 2019 sollen deutlich weniger Menschen angegeben haben, den Job an den Nagel hängen zu wollen.

#5: Der Wunsch nach Autonomie und Mitbestimmung wächst

Flache Hierarchien sind in der Praxis nicht immer gegeben, weshalb junge Leute sich manchmal unmotiviert zeigen. Sie wünschen sich echte Mitbestimmung und nicht nur die auf dem Papier und im Jobinserat. Solange die Realität anders aussieht als die Versprechen der Unternehmen, werden potenzielle Beschäftigte sich weiterhin unzufrieden und fordernd zeigen.

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Prognose: Was bedeutet das für Deutschlands Zukunft?

Ein ganz so düsteres Bild, wie es sich gerade abzeichnet, wird es am Ende wohl nicht werden. Weil die jungen Generationen „im Kommen“ sind, werden sie einiges verändern. Deutschlands Wirtschaft und Arbeitsmarkt müssen deshalb nicht abgeschrieben werden. Im Gegenteil: Sobald die Arbeitsbedingungen den Werten und Normen der heutigen Generation entsprechen, gibt es Grund zur Hoffnung.

Es werden sowohl auf nationaler als auch auf globaler Ebene neue und moderne Arbeitsplätze entstehen. Das US-Amt für Arbeitsstatistik gibt an, dass spezielle Jobs in den nächsten Jahren einen richtigen Boom erleben werden. Allein in den USA werden bis 2030, so heißt es weiter, 11,9 Millionen Arbeitsplätze entstehen. Großen Wachstum erleben zum Beispiel Berufe wie die der technischen Servicekräfte für Windturbinen, die der Datenforscher und außerdem soll viel im Bereich IT passieren. Auch Krankenpfleger werden benötigt und es gibt Hoffnung auf bessere Arbeitsbedingungen. Somit könnte die Lust, arbeiten zu gehen, wieder steigen.

Bildnachweis: gollykim/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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