Glück ist niemals von Dauer. Dennoch hält sich der Mythos vom dauerhaften Glücklichsein hartnäckig. Auch im Job.

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Wir sollten aufhören, nach dauerhaftem Glück zu streben, sagt Psychiater Dr. Rafael Euba (Buch: „You are not meant to be happy. So stop trying“). Denn der Mensch lasse sich täuschen: Allein die Branche in den USA, welche Menschen die Illusion vermittle, man könne einen dauerhaften Glückszustand erreichen, soll einen Wert von 11 Milliarden US-Dollar pro Jahr haben, so der Experte. Es ginge dabei zum Beispiel um positives Denken.

Positives Denken ist im Grundsatz nicht verkehrt, sondern kann vor allem bei Depressionen helfen und die Lebensqualität erhöhen. Dennoch werde ein falsches Bild zum Thema Glück vermittelt, findet Euba, ein Mythos vom Dauerglück.

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Was ist Glück?

Glück – eine vorübergehende, niemals andauernde, nachweisbare Veränderung im Gehirn. Wer Glück erlebt hat, kennt die Intensität. Ein Gefühl, das süchtig macht; die höchste Stufe des Wohlbefindens.

Wir wollen dauerhaft glücklich sein, nicht nur im Privatleben. Auch der Job soll glücklich machen und das Hochgefühl auslösen, das motiviert, uns zu Höchstleistungen treibt, uns unsere körperlichen und mentalen Grenzen vergessen lässt. Wenn wir glücklich sind, fühlen wir uns lebendig.

Wer verliebt ist, empfindet zum Beispiel Glück. Auch ein Sieg mit der Mannschaft löst Glücksgefühle aus. Eine Beförderung kann glücklich machen. Ein Flirt kann glücklich machen. Und so weiter. Glück hat einen Suchtfaktor. Und alles beginnt im Gehirn: Das Belohnungszentrum wird aktiviert. Man spricht manchmal von einem „Hormoncocktail“.

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Arbeitsglück und Arbeitszufriedenheit: Zwei Paar Schuhe

Dabei gilt es, Arbeitsglück von Arbeitszufriedenheit zu unterscheiden. Es muss generell zwischen „Glück“ und „Zufriedenheit“ differenziert werdet, erklärt Hirnforscher Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth (Universität Bremen). Denn Zufriedenheit könne man eher mit einer inneren Ausgeglichenheit beschreiben. Beim Glücksgefühl geht es biochemisch hingegen hoch her.

Glück ist auch intensiver als Zufriedenheit: Wer im Job glücklich ist, hat – zumindest der allgemeinen Auffassung nach – den wohl erstrebenswertesten Zustand überhaupt erreicht. Häufig verstärkt diese Auffassung das verklärte Bild, welches die meisten Menschen zum Thema Glück bereits haben.

Der Schein trügt. Die Wahrheit ist: Dauerhaftes Arbeitsglück existiert nicht. Es ist ein Mythos. Arbeitszufriedenheit gibt es tatsächlich, denn sie beinhaltet eine allgemeine Zufriedenheit, die gute als auch schlechte Momente und Tage berücksichtigt. Der größte Unterschied aber ist, dass Arbeitszufriedenheit einen Zustand beschreibt, der länger anhält. Anders als Glück ist es nicht nur ein flüchtiges Gefühl, sondern eine Art tiefe Entspanntheit und Wohlbefinden in Bezug auf unsere Arbeit.

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Streben nach Arbeitsglück kann schädlich sein

Weil Dauerglück nicht existiert, steuern wir beim Streben nach Arbeitsglück eher einer dauerhaften Unzufriedenheit entgegen, da wir immer wieder enttäuscht werden. Häufige Jobwechsel, überhöhte Erwartungen und das krampfhafte Suchen nach Glücksgefühlen können demnach auch für unsere Psyche schädlich sein. Wir fühlen uns gestresst und können nicht loslassen. Ähnlich wie bei einer Droge, die nur kurz wirkt und tendenziell mehr Schaden anrichtet.

Häufig zu beobachten ist dieses Phänomen bei Leistungs- und Machtmenschen sowie bei Personen mit größeren Selbstzweifeln: die Suche nach dem permanenten Kick, der durch höhere Positionen, Ruhm und Prestige kurzfristig ausgelöst wird. Doch das Gefühl bleibt nicht ewig – und schon beginnt die Suche nach dem nächsten Rausch. Führungspersonen schaden damit nicht nur sich selbst. Wer immer wieder auf der Suche nach dem nächsten Happiness-Kick ist, könnte damit auch das Team unter Druck setzen, nur um das eigene Verlangen nach dem Hochgefühl zu stillen.

Besser als Glück: Wonach sollten wir im Job stattdessen suchen?

Die Antwort ist einfach: Bedeutung und Sinnhaftigkeit. Das berufsbezogene Sinnerleben kann unsere Jobzufriedenheit maßgeblich steigern, wie wissenschaftliche Untersuchungen zeigen. Demnach seien wir nicht nur generell zufriedener, sondern auch inspirierter. Das bedeutet, dass die Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit nicht nur Vorteile für die Belegschaft hat, sondern auch für das Unternehmen, profitieren diese doch von motivierten, kreativen und ausgeglichenen Mitarbeitern.

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Es geht noch weiter: Das Erleben von Sinn auf der Arbeit stehe außerdem in Zusammenhang mit unserer allgemeinen Lebenszufriedenheit. Es wirke auch auf unsere Gesundheit, was ebenfalls positiv ist in einer Zeit, in der die Fehlzeiten rapide zugenommen haben.

Wie finden wir „Sinnerleben“ und Bedeutung im Job?

Forscherin und Psychologie-Professorin Tatjana Schnell erklärt, anhand welcher Kriterien wir festmachen können, ob wir unseren Job mit Sinnhaftigkeit verbinden:

  1. Bedeutung: Unsere Aufgaben, Handlungen und Tätigkeiten haben positive Konsequenzen.
  2. Orientierung: Uns sind die Ziele (und Werte) des Unternehmens bekannt – und damit gehen wir konform.
  3. Kohärenz: Unser Job passt zu unseren eigenen Vorstellungen (Lebensstil, Überzeugungen).
  4. Zugehörigkeit: Wir tragen Verantwortung und erleben Wertschätzung.

Wer sich mit den genannten Punkten identifizieren kann, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit Arbeitszufriedenheit erleben – statt eines kurzen Glücksgefühls, das vergänglich ist.

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Sinnstiftende Tätigkeiten außerhalb des Berufs sind wichtig

Unser Beruf dient, nüchtern ausgedrückt, zunächst dem Zweck, Geld zu verdienen. Es sei denn, wir arbeiten freiwillig, um uns zu beschäftigen (um Sinn und Bedeutung zu erleben) und haben finanziell schon ausgesorgt. Denn die Erwartung, die Arbeit könne unsere tiefsten inneren Probleme lösen und dauerhaft glücklich machen, ist keine realistische.

Deshalb ist es wichtig, sich auch anderen Lebensbereichen zu widmen, die – neben der Arbeit – das große Ganze bilden. Das kann die Familie sein, die Priorität hat. Oder persönliche Ziele, die du anstrebst, zu denen beispielsweise die Arbeit an dir selbst, ein sportliches Ziel oder ein Hobby gehören. Finden wir sinnstiftende Tätigkeiten außerhalb unseres Jobs, klammern wir uns nicht krampfhaft an der Sehnsucht fest, unser Glück im Job zu finden.

In schwierigen Zeiten: Der Job kann uns nicht glücklich machen

Vor allem in schwierigen Lebensphasen stürzen sich einige Arbeitnehmer in ihren Job, um sich abzulenken oder wieder Glücksgefühle zu spüren, die im Privatleben vielleicht ausbleiben. Tatsächlich kann eine Beschäftigung sogar dabei helfen, eine Tagesroutine beizubehalten. Doch glücklich machen – das kann der Job nicht dauerhaft.

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Hilfreich kann es sein, den vorübergehenden Schmerz zu ertragen und zu akzeptieren, dass kurzfristige Happiness-Kicks eben nur kurzfristig helfen. Im schlimmsten Fall wächst gar der Frust im Job, wenn dieser die eigenen überhöhten Erwartungen nicht erfüllen kann. In solchen Situationen helfen soziale Kontakte, Freunde, die Familie, unsere Partner – Menschen, die zuhören und verstehen. Das kann der Job nicht.

Fazit: Bedeutung im Job ist wichtiger als Arbeitsglück

Um ein kurzes Glücksgefühl im Job spüren zu können, vernachlässigen wir oft unsere langfristigen Ziele. Wichtig ist deshalb, sich an die Bedeutung von dem zu erinnern, was wir tun – und wie unsere Handlungen uns dabei helfen können, echte Karriereziele zu erreichen und nicht nur den nächsten Kick. Es kann anstrengend sein, darauf zu verzichten. Weil der Mensch süchtig nach Glücksgefühlen ist. Doch die Anstrengung kann sich lohnen und uns dabei helfen, uns beruflich und persönlich weiterzuentwickeln.

Die Frage sollte also nicht lauten, ob wir glücklich sind mit unserer Arbeit. Sondern: „Bist du zufrieden? Hat deine Arbeit Bedeutung für dich?

Bild: Jacob Wackerhausen/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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