Immer sind die Mitarbeiter schwierig? Nein, Chefs sind auch schuld, sagt ein US-amerikanisches Forscherteam, welches den destruktiven Einfluss von Vorgesetzten untersucht hat.

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Die Rolle der Führungskraft ist noch wichtiger als gedacht

Wenn Mitarbeiter sich daneben benehmen, manipulieren und Kollegen schaden, dürften die meisten von uns annehmen, dass es sich um Charaktere mit schwierigen Wesenszügen handelt. Narzissten oder Machiavellisten vielleicht. Oder Choleriker, die ihr Temperament nur schwer zügeln können.

US-amerikanische Forscher aber glauben: Nicht nur die Persönlichkeit eines Mitarbeiters bestimmt sein Verhalten. Denn eine Metaanalyse aus insgesamt 235 Studien habe erstaunlicherweise ergeben, dass ein toxisches Führungsverhalten eine mindestens genauso große Rolle dabei spielt, so die Wissenschaftler Katherine C. Alexander, Jeremy D. Mackey, Charn P. McAllister und B. Parker Ellen.

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Das Forscherteam beschäftigt sich in seinen Studien mit destruktivem Führungsverhalten und konnte einen Zusammenhang zwischen diesem und dem destruktiven Verhalten von Mitarbeitern herstellen. Die Einzelstudien, welche als Basis gedient haben, berücksichtigen die Daten von insgesamt fast 67.000 Befragten.

Wenn Mitarbeiter zum Problem werden – und Chefs eine Teilschuld tragen

Das schädliche Verhalten von Führungskräften, welches Einfluss auf das ebenfalls schädliche Mitarbeiterverhalten nimmt, bezeichnen die Forscher als „missbräuchliches Führungsverhalten“. Hierzu zählen beispielsweise

Mitarbeiter werden grundsätzlich zum Problem, wenn sie zum Beispiel Kollegen verbal (oder auch körperlich) angreifen, Betrug oder Diebstahl begehen oder etwa dem Unternehmen vorsätzlich schaden. Ein toxisches Arbeitsklima, Unzufriedenheit anderer Mitarbeiter sowie Mobbing auf Basis einer Gruppendynamik, aber auch Ängste und Sorgen sind das Resultat. Die Fehltage steigen an. Unproduktivität macht sich breit.

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Jedoch sei die Mitschuld von Führungskräften ein regelmäßig unterschätzter Prädikator, der mehr Beachtung bräuchte. Die Studienautoren erklären auch: Unternehmen und Vorgesetzte suchten die Erklärung von Fehlerverhalten fälschlicherweise zu oft ausschließlich in einer ablehnenden Haltung von Mitarbeitern, etwa dem Arbeitgeber gegenüber. So sei es beispielsweise nicht ungewöhnlich, dass Personen, die ohnehin gleichgültig oder aufmüpfig seien, zu unangemessenem Verhalten im Job neigten.

Wut auf Chef richtet sich oft auch gegen Kollegen

Sofern Mitarbeiter sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machten oder unter Ängsten litten, aber eine unbändige Wut auf ihre Vorgesetzten spürten, weil diese missbräuchlich handeln, könnte sich das destruktive Mitarbeiterverhalten auch gegen eigene Kollegen richten.

Dann handelt es sich um eine Art Ersatzhandlung oder Übertragung negativer Gedanken und Gefühle auf Kollegen als Ventil. Schließlich sei bei einem Fehlverhalten, welches sich direkt gegen den Boss richtet, mit härteren Konsequenzen zu rechnen.

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Untersuchung zeigt: Je destruktiver ein Chef, desto schlimmer das Mitarbeiterverhalten

Ein weiteres Phänomen, das zu beobachten ist, ist die Intensität des Fehlerverhaltens von Mitarbeitern in einem Unternehmen. So sei etwa feststellbar, dass Mitarbeiter, die missbräuchliches Führungsverhalten erleben, sich nicht nur selbst daneben benehmen – sondern dies noch stärker tun, wenn das destruktive Verhalten des Bosses ebenfalls verhältnismäßig stark ausgeprägt ist. Das positive Verhalten von Arbeitnehmern nehme ab.

Umgekehrt bedeutet das: Je wertschätzender und „gesünder“ ein Chef sich verhält, desto ausgeglichener sind auch Mitarbeiter. Zumindest könnte damit die Wahrscheinlichkeit von Mitarbeiterfehlverhalten sinken.

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Forscher gehen einen Schritt weiter: Führungskraft sei nicht nur Prädikator, sondern Ursache

Eine etwas einseitige Perspektive der Forscher auf Führungskräfte und ihr Verhalten kann nicht geleugnet werden, zumal die Forscher gar die Behauptung aufstellen, dass Vorgesetzte in Unternehmen, in denen sich auffallend viele Mitarbeiter daneben benehmen, die Ursache allen Übels seien. Es handelt sich jedoch lediglich um eine Vermutung der Wissenschaftler, um eine Annahme, die ebenfalls auf den Studienergebnissen beruht.

Dennoch könnte zumindest ein kleiner Zusammenhang vermutet werden: Die Unzufriedenheit vieler Arbeitnehmer wächst in einem Umfeld mit giftiger Führungskultur – und die eigene Arbeitsplatzunzufriedenheit muss nicht, kann aber in rebellischen oder destruktiven Verhaltensweisen münden. Dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit dem Führungsverhalten zusammenhängt, ist kein Geheimnis. Und auch, dass die Wechselbereitschaft derer wächst, die kein Vertrauen zum Chef haben oder keine Beziehung aufbauen können.

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Als Hauptproblem missbräuchlicher Führung sehen andere Forscher, dass das Verhalten für Unternehmen schwierig zu erkennen sei, so Psychologe und Führungsexperte Dr. Niels Van Quaquebeke. So könnten Vorgesetzte sich selbst beispielsweise als effektiven, guten Boss wahrnehmen, was jedoch eine Fehleinschätzung sein könne – und auch Unternehmen, die den Erfolg dieser ausschließlich auf Basis der Leistung beurteilten, folgen demnach einem falschen Pfad.

Nicht immer ist der Chef verantwortlich

Schwieriges Mitarbeiterverhalten kann zwar von missbräuchlichem Führungsverhalten begünstigt werden. Aber es wäre ein Trugschluss, die Sache zu pauschalisieren – denn nicht immer liegt es am Boss, wenn Mitarbeiter zerstörerische Handlungen vornehmen, die das Unternehmensimage in Gefahr bringen oder Kollegen gemobbt oder drangsaliert werden.

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Auch deshalb ist es wichtig für Unternehmen, unterscheiden zu können, um besser auf einzelne Mitarbeiter einzugehen und die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Denn im Anschluss geht es darum, einen Umgang mit entsprechenden Arbeitnehmern zu finden. Und hier beginnt die Arbeit. Denn jeder Mitarbeiter ist individuell und so unterscheiden sich Bedürfnisse, aber auch Wirkungsweisen von spezifischem Führungsverhalten. Während der eine mehr Empathie benötigt, erwartet der andere etwas mehr Klarheit, Motivation oder Grenzen. So oder so: Vieles hilft, nur kein toxisches Führungsverhalten.

Fehlverhalten von Mitarbeitern: Was können Unternehmen tun?

Die Quelle des Fehlverhaltens von einzelnen Mitarbeitern zu finden, ist nicht einfach, vor allem nicht, wenn es sich um Einzelfälle im Unternehmen handelt. Einfacher wird die Identifikation, wenn solche Fälle gehäuft vorkommen und dann zum Beispiel ein Zusammenhang zwischen missbräuchlicher Führung und Auffälligkeiten im Team hergestellt werden kann. Grundsätzlich aber ist es wichtig, die gesamte Teamdynamik zu analysieren, um ein solches Urteil fällen zu können.

Davon ab spielt die Schulung und Sensibilisierung von Führungskräften eine wichtige Rolle. So könne es laut Christian Tröster (Kühne Logistics University), welcher sich in seinen Forschungsarbeiten mit missbräuchlichem Führungsverhalten beschäftigt hat, zu Schuldgefühlen bei Mitarbeitern kommen, wenn diese verbal gedemütigt oder missbraucht werden. Und diese Schuldgefühle führten dazu, dass Mitarbeiter eigene Grenzen nicht mehr wahren könnten, keine Widerworte leisteten und still ihre Arbeit erledigten – wenn auch unter unwürdigen Bedingungen. Unterdrückte Wut, die so entsteht, kann zu destruktivem Verhalten von Mitarbeitern führen.

Wie also sollte eine Führungskultur idealerweise sein? Um positives Verhalten von Mitarbeitern zu fördern, können folgende Werte die Basis bilden:

  • die Übernahme von Verantwortung durch Führungskräfte
  • respektvolle Gespräche auf Augenhöhe, die konstruktive Kritik zulassen
  • Wertschätzung im Arbeitsalltag
  • regelmäßiger Austausch; offene Kommunikation
  • tolerante Fehlerkultur statt Schuldzuweisungen
  • Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit

Zudem kann es helfen, nicht nur Mitarbeiter zu beurteilen, sondern auch Beurteilungen von Führungskräften vorzunehmen, welche nicht ausschließlich die Leistung berücksichtigt. Denn fachliches Know-how und Leistung können Soft Skills nicht ersetzen.

Vor allem soziale Komponenten spielen eine Rolle bei der (erfolgreichen) Führung eines gesamten Teams – und diese kommen nicht selten zu kurz. Nicht zuletzt, weil Führungskräfte eine Vorbildfunktion haben. Diese kann, je nach Führungsstil, destruktives Mitarbeiterverhalten fördern. Oder, und das ist das Ziel, positive Verhaltensweisen stärken und fördern.

Bild: FG Trade/istockphoto.com/Canva

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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